Full text: Bildersaal deutscher Geschichte

Sinne. Um die— 
selbe Zeit wurden 
auch die Fäden 
angesponnen, die 
päter eine bedeu— 
ende Vergröße— 
rung der Mark 
jerbeiführen soll— 
ten. Joachim schloß 
am 19. Oktober 
1537 mit dem 
Herzog von Lieg— 
nitz einen Erb— 
vertrag, wonach 
die Länder Lieg— 
nitz, Brieg und 
Wohlau nach dem 
Aussterben des 
herzoglichen Hau— 
ses an Branden— 
zurg fallen sollten. 
Derselbe Kurfürst 
erhielt im Jahre 
1569 auch noch 
die Anwartschaft 
auf künftige Er— 
werbung des Her— 
zogtums Preu— 
ßen, das jetzt 
inter polnischer 
Hoheit stand. Un— 
ter Kurfürst Jo— 
hann Sigis— 
nund, der von 
1608 bis 1619 re— 
gierte, kam die 
Vereinigung 
Preußens mit 
Brandenburg 
wirklich zu stande, 
und zwar im 
Jahre 1618; frei— 
lich mußte er noch 
die Lehenshoheit 
des Polenkönigs 
anerkennen. Vier 
Jahre vorher 
hatte der Kurfürst 
auch am Rhein 
gesegnete Landes— 
teile gewonnen, 
aümlich das Herzogtum Cleve mit den Grafschaften Mark und 
Ravensberg und die Herrschaft Ravenstein. Sie waren ihm in 
folge des jülich-clevischen Erbfolgestreites, den er mit Pfalzgraf Wolf— 
gang Wilhelm von Neuburg führte, nach dem Teilungsvertrag 
von Xanten zugefallen. Durch beide Erwerbungen erweiterte sich der 
Länderumfang Brandenburgs auf das Doppelte. — Dann fuhren die 
Stürme des Dreißigjährigen Krieges über die Mark und vernichteten 
die Keime des begonnenen Aufschwungs, bis endlich Friedrich Wil— 
helm, der Große Kurfürst (siehe Einschaltbildd, sein Land zu un— 
geahnter Blüte brachte. 
Friedrich Wilhelm wurde im Jahre 1620 geboren; seine Jugend 
fiel also in die schwere Kriegszeit, und selbst im Schoß der eigenen 
Familie gewann er tiefe Eindrücke von ihren Schrecknissen. Sein Vater 
var jener schwache Kurfürst Georg Wilhelm, dessen schwankende 
Haltung zwischen Schweden und dem Kaiser dem Lande nur Unheil 
brachte, seine Mutter eine Schwester des unglücklichen Friedrich von 
der Pfalz. Im Alter von sieben Jahren mußte der Knabe vor den 
Gefahren des Kriegs aus Berlin nach der sicheren Festung Küstrin 
fliehen, und später stand er in Wolgast tief bewegt an der Leiche seines 
Oheims Gustav Adolf, dessen trauernde Witwe eine Schwester Geord 
Wilhelms war. 
So erhielt sein 
Leben frühzeitig 
eine durchaus 
ernste Richtung. 
Als der junge 
Fürst im Jahre 
1640seinem Vater 
in der Regierung 
folgte, erbte er 
einen verschulde— 
ten und verpfäün— 
deten Kronbesitz, 
an der Mark ein 
noch vom Feinde 
besetztes Land, das 
der Krieg entvöl— 
kert und zertreten 
hatte, am Herzog— 
tum Preußen ein 
Lehen, das durch 
polnische Wirt— 
schaft verwildert 
war, in Pommern 
und Jülich-CEleve 
Ansprüche, die 
mißachtet wur— 
den; dazu ein Volk, 
das zum größten 
Teil in dumpfer 
Verzweiflung ein 
elendes Dasein 
führte, das sich 
durchaus nicht als 
ein einheitliches 
Ganzes fühlte und 
in den Ständen 
der verschiedenen 
Landesteile unzu— 
friedene und zur 
Unbotmäßigkeit 
geneigte Elemente 
barg, ein Heer, 
das auch dem Kai—⸗ 
ser den Treueid 
geleistet hatte und 
so zuchtlos war, 
daß es in den 
eigenen Landen 
schlimmer hauste 
als der Feind. 
Kein Wunder, daß der Jüngling nicht freudigen Herzens sein Amt 
antrat. Aber sein früh gereifter, kluger und besonnener Geist über— 
wand nach und nach alle Schwierigkeiten; denn nicht umsonst hatte 
der junge Fürst in den Niederlanden, wo er sich 1634 bis 1638 
unter Leitung des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien 
militärische und wissenschaftliche Kenntnisse zu erwerben suchte, einen 
weiten und freien Blick für politische und wirtschaftliche Verhältnisse 
zewonnen. — Vor allem brach Friedrich Wilhelm mit der Politik des 
'ast allmächtigen Ministers seines Vaters, des katholischen Grafen 
—ADV Brandenburgs immer nur auf 
saiserlicher Seite gesucht hatte, und dem man darum am Hofe alle 
Schuld an dem Unglück des Landes zuschrieb. Die den Ständen an— 
tößigen Einrichtungen Schwartzenbergs in Bezug auf das Kriegswesen 
hob er auf; zugleich brachte er mit Hilfe des gewandten Obersten 
donrad von Burgsdorf einige Regimenter zur Leistung des Treu— 
eids, versicherte sich der von ihnen besetzten Festungen und verringerte 
die Truppenzahl, indem er die Widerstrebenden, die sich nur als Kaiser⸗ 
iche fühlen wollten, rücksichtslos abstieß. Hierauf erwirkte er von Polen 
die Belehnung mit Preußen, die am 7. Oktober 1641 in Warschau er— 
folgte. Inzwischen hatte er auch dem Kaiser gegenüber die bisher vo— 
— — — 
Der Große Kurfürst mit General Derfflinger. Nach einer Originalzeichnung von W. Camphausen 
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