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Drei neue blaue Kinder. Nach einer Guache von A. Kampf. (Tert S. 276)
Friedrich Wilhelm J.
M selten hat es einen größeren Gegensatz zwischen Eltern und Sohn
) gegeben als bei Friedrich J. und seinem Nachfolger Friedrich
Wilhelm JL. der den preußischen Thron im Jahre 1713 bestieg. Fried—
rich Wilhelm besaß weder etwas von der stolzen Prachtliebe seines
Vaters, noch teilte er die künstlerischen und wissenschaftlichen Neigungen
seiner Mutter Sophie Charlotte. Vielmehr haßte er schon als Knabe und
Jüngling das üppige und glänzende Hofleben, wie es der erste Preußen—
könig ausgebildet hatte, ja empfand die strenge Etikette oft als einen
unerträglichen Zwang; und von den Wissenschaften schätzte er nur das,
vas unmittelbar praktischen Zwecken diente. Dafür fand er aber am
Soldatenwesen, am Exerzieren und Schießen, Fechten und Reiten
größtes Wohlgefallen. Diese früh ausgeprägten Abneigungen und Zu—
neigungen blieben ihm zeitlebens eigen. — Sofort nach seinem Regierungs—
antritt entließ er die Mehrzahl der Hofbeamten, setzte die Gehälter und
Naturalbezüge der übrigen bedeutend herab, durchschnittlich auf ein
Fünftel, stellte alles Gepränge und die üblichen teuren Festlichkeiten
ein, versagte den von seinem Vater beschäftigten Künstlern neue Auf—
träge, schickte den größten Teil des königlichen Silbergeräts in die
Münze und beschränkte den gesamten Hofhalt auf jährlich 532000 Taler.
Wollte man der „spitzen Zunge und spitzeren Feder“ der Markgräfin
Wilhelmine von Baireuth, des Königs Tochter, Glauben schenken, so müßte
man annehmen, daß der sparsame Monarch sogar die eigene Familie nur
notdürftig genührt habe. Tatsache ist, daß Friedrich Wilhelm den könig—
lichen Haushalt etwa auf dem Fuß eines wohlhabenden mäürkischen
Landedelmannes einrichtete, daß er alle Ausgaben scharf überwachte
und persönlich ein Muster der Bedürfnislosigkeit war. Selbst in seinen
Vergnügungen und Erholungen war er durchaus anspruchslos. Gern
versammelte er seine Generale und Minister, wohl auch fremde Ge—
sandte und sonstige Eingeladene zu einer bürgerlich-einfachen Abend—
I
jesellschaft bei sichh, die man das Tabakskollegium nannte. Die
Teilnehmer rauchten aus Tonpfeifen Tabak und tranken Bier dazu;
vollte jemand etwas essen, so fand er im Vorzimmer kalten Braten,
—„chinken und Butterbrot und konnte frei zugreifen. Nach ernsten Ge—
prächen über Staats- und Kriegsangelegenheiten, wobei jeder seine
Meinung unumwunden äußern durfte, wurden allerlei Schnurren und
nekdoten erzählt; besonders erheiterte VLeopold von Dessau die
vesellschaft durch seinen Witz. Oft gestattete man sich auch recht
erbe Späße, namentlich mit den beiden „hochgelahrten Professoren—
hofnarren“ Gundling und Faßmann. (Siehe Bild S. 272.) Dennoch
iahmen sich diese Abendgesellschaften in ihrer Einfachheit und Unge—
wungenheit weit besser aus als die oft verschwenderischen und wüsten
Festlichkeiten der anderen deutschen Hößfe. — Die Sparsamkeit des
königs machte nur da Halt, wo es die Vergrößerung und Verbesserung
einer Wehrmacht und das Wohl des Landes galt. Dem Heere opferte
rrnicht selten ganz bedeutende Summen; ihm widmete er überhaupt
eine Hauptsorge, so daß man ihn treffend den „Soldatenkönig“ ge—
iannt hat. Er fand etwa 40000 Mann Truppen vor und ver—
nehrte sie nach und nach auf über 80000 Mann, so daß das kleine
zreußen nach der Zahl der Soldaten die vierte Kriegsmacht Europas
vurde. Die Ergänzung des Heeres fand durch Werbung statt, die
hre „Opfer“ zunächst im Inlande suchte. Das hinderte die Werber
reilich nicht, oft Roheit und Gewalttat zu üben. Nur zu häufig wurden
inzige Söhne, die vom Dienste frei sein sollten, Studenten von der
UIniversitüt, junge Handwerksgesellen, untertänige Landarbeiter wider
hren Willen fortgeführt, wenn sie zum Heeresdienst groß und stark
senug waren. Massenhaft wanderten darum die jungen Leute aus,
ind keine Drohung mit Galgen, Ohrabschneiden und Einziehung ihrer
Habe konnte die Flucht aufhalten. Das Land drohte sich zu leeren,
ind um den gewerblichen und finanziellen Aufschwung nicht zu lähmen,
ah sich Friedrich Wilhelm genötigt, iede Werbung im Inlande zu unter—