Berrates, als eine Unglücksbotschaft die andere jagte, sprach sie ihren und liebste. — Bald kam der schwerste Tag in Luisens Leben. Napoleons
Zchmerz gegen ihre ältesten Söhne Friedrich Wilhelm und Wilhelm Friedensbedingungen waren zu schwer; er forderte alles preußische Land
in den Worten aus: vestlich der Elbe, Preußisch-Polen, die Sperre der preußischen Häfen für
„Ihr sehet mich in Tränen; ich beweine den Untergang meines englische Schiffe und die Entlassung des ihm verhaßten, weil tüchtigen
Hauses und den Verlust des Ruhmes, mit dem eure Ahnen und ihre rreußischen Ministers Hardenbera. Wo war da Hilfe zu finden? Graf
Generale den Stamm Hohenzollern gekrönt
haben, und dessen Glanz sich über alle Völker
berbreitete, die ihrem Zepter gehorchten.
Ach, wie verdunkelt ist jetzt dieser Glanz. Das
Zchicksal zerstörte in einem Tage ein Gebäude,
an dessen Erhöhung große Männer zwei
Jahrhunderte hindurch gearbeitet hatten. Es
gibt keinen preußischen Staat, keine preußische
Armee, keinen preußischen Nationalruhm
nehr: er ist verschwunden wie jener Nebel,
velcher uns auf den Feldern von Jena und
Auerstädt die Gefahren und Schrecken dieser
inglücklichsten Schlacht verbarg. — Ach, meine
Söhne, ihr seid in dem Alter, wo euer
Verstand die großen Ereignisse, welche uns
etzt heimsuchen, nicht fassen und fühlen kann;
uft künftig, wenn eure Mutter und Königin
nicht mehr lebt, diese unglückliche Stunde
in euer Gedächtnis zurück; weinet meinem
Andenken Tränen, wie ich sie jetzt in diesem
chrecklichen Augenblicke dem Umsturze meines
Vaterlandes weine! Aber begnügt euch
nicht mit den Tränen allein; handelt —
intwickelt eure Kräfte; vielleicht läßt Preußens
Zchutzgeist sich auf euch nieder; befreiet dann
»uer Volk von der Schande, dem Vorwurfe
und der Erniedrigung, worin es schmachtet;
uchet den jetzt verdunkelten Ruhm eurer
Vorfahren von Frankreich zurückzuerobern,
vie euer Urgroßvater, der Große Kurfürst,
einst bei Fehrbellin die Niederlage und
Schmach seines Vaters an den Schweden
rächte. Lasset euch, meine Prinzen, nicht
von der Entartung dieses Zeitalters hin—
reißen; werdet Männer und geizet nach dem
Ruhme großer Feldherren und Helden. Wenn
euch dieser Ehrgeiz fehlte, so würdet ihr
des Namens von Prinzen und Enkeln des
Hroßen Friedrich unwürdig sein. Könnt ihr
aber mit aller Anstrengung den niederge—
heugten Staat nicht wieder aufrichten, so
ucht den Tod, wie ihn Louis Ferdinand
Gefecht bei Saalfeld, 10. Oktober 1806) ge—
iucht hat.“
Im Juni 1807 mußte die Königin mit
hren Kindern nach Memel flüchten. Die
Reisewagen wurden mit übereilung her—
Jerichtet und befanden sich nicht in bestem
Zustande. Die drei jüngsten Kinder fuhren
mit ihrer Erzieherin und der Oberhof—
neisterin voraus, die Königin folgte mit
dem Kronprinzen und Prinz Wilhelm in
einem zweiten Wagen. Nach einer lang—
samen beschwerlichen Fahrt brach ein Rad
des überladenen Wagens, auf einsamer Land—
sttraße, am Rande eines Ährenfeldes mußten
die Insassen warten, bis der aus dem nah—
gelegenen Dorfe herbeigeholte Schmied den
Wagen wieder reparierte. Unterdessen pflückten die Prinzen Korn—
blumen, die Mutter wand sie zum Kranze und drückte sie Wilhelm aufs
ockige Haupt ssiehe Bild S. 320). Hätte sie ahnen können, daß ihr
Segen gerade dieses Kind geleiten, daß sich auf Wilhelm Preußens
Zchutzgeist niederlassen, ihn zum Befreier seines Volkes von der Schande
und Erniedrigung erwählen und dereinst zum Kaiser eines großen mächtigen
Deutschland erheben werde! Wilhelm aber blieb diese Stunde in heiliger
Frinnerung, die Kornblume war ihm unter allen Blumen die schönste
jasse, so sehe ich ihn doch als den an, der den König und sein Land
inglücklich gemacht. Seine Talente bewundere ich, aber seinen Charakter,
er offenbar hinterlistig und falsch ist, kann ich nicht lieben. Höflich
ind artig gegen ihn zu sein, wird mir schwer werden. Doch das
—„chwere wird einmal von mir gefordert.“ Am Nachmittag des 6. Juli
Aus der Franzosenzeit. Nach einem Gemälde von E. Henseler. (Tert S. 320)
war die Begegnung, und sie verlief nach der Darstellung eines neueren
Forschers Paul Bailleu, Königin Luise in Tilsit, Hohenzollern-Jahrbuch
899) so: „Bei dem König in Tilsit traf Luise Alexander und den
hrafen Goltz, den Nachfolger Hardenbergs, der auf Napoleons Ver—
angen entlassen worden war. Sie waren trostlos über den Stand
er Verhandlungen und beschworen die Königin, weil in ihr die letzte
»offnung ruhe, den Staat zu retten. Sie hatten kaum einige Worte
jewechselt und sich dann entiernt, als die Ankunft Navoleons gemeldet
wurde. Von der Oberhofmeisterin Gräsin Voß und einer Hosdame emp—
jangen, eilte Napoleon die Treppe hinauf, einen Augenblick, und er stand
der Königin gegenüber (siehe Bild Z.321). Die Schönheit der Königin, das
bersichern alle Augenzeugen, strahlte niemals heller als in diesen dunklen
Tagen von Tilsit. Die glänzend großen Augen in Schwermut leicht
verschleiert, die sonst schon zur Fülle neigende
GHestalt jeßt durch zehrenden Kummer ver—
seinert, gehüllt in ein weißes, silbergesticktes
Kreppkleid, auf dem biegsamen Halse das
tolz erhobene Haupt unter dem Perlen—
diadem, so stand die Königin da, in Schmerz
und Trauer, in hingebendem Opfermut eine
rührende Verkörperung von Frauenschön—
jeit und Frauenhoheit. Der Anblick Napo—
eons brachte ihr eine Überraschung. Der
tönig hatte ihr gesagt, er habe etwas Ge—
neines in seinem Aussehen; sie konnte das
liicht finden. Sein Kopf erschien ihr von
chöner Form, der Ausdruck des Gesichts
berriet den denkenden Herrscher; besonders
gefiel ihr der lächelnde Mund, und an der
ganzen Erscheinung erkannte sie staunend
den Typus des Cäsaren. Aufatmend unter
dem unerwartet günstigen Eindruck, frei und
inbefangen trat sie ihm entgegen. Sie sprach
hmihr Bedauern aus, daß er eine solche
kreppe zu ihr habe heraufsteigen müssen,
veklagte mit leiser Ironie für ihn und seine
Truppen den Aufenthalt im nördlich rauhen
preußen. Napoleon, etwas verlegen, wie
die Königin bemerken wollte, antwortete
nit Komplimenten. Dann, ohne Schwanken,
hne Zögern kam sie auf das, was sie her—
geführt hatte. Der Kaiser, so begann sie,
sabe sie angeklagt, daß sie sich in Politik
nische — Napoleon unterbrach sie mit Be—
euerungen — gleichviel, sie wolle ihn auf—
lären über den Schritt, den sie tue. Als
Hattin, als Mutter wolle sie ihm das Schicksal
Preußens anempfehlen. Sie bat für die
inkselbischen Lande, namentlich für Magde—
zurg. Napoleon versuchte abzulenken und
egann von Toilettefragen zu sprechen: „Zie
ragen da ein schönes Kleid,“ unterbrach er
nie Königin, „wo ist es gearbeitet? in Bres—
au? macht man Krepp in ihren Fabriken?“
Sollen wir von Puts reden in solchem
dugenblick?“ erwiderte die Königin. Unbeirrt
enkte sie zurück; vor der Höhe ihres sitt—
ichen Ernstes verstummten Napoleons leichte
Zcherze. Nochmals suchte sie den Weg zu
einem Herzen. Mit rührenden Worten von
hüte und Edelsinn, von Großzmut und Hoch—
serzigkeit suchte sie dem Unbarmherzigen
Mitleid und Menschlichkeit abzugewinnen.
Zie sprach und bat, und ihre Bitten zwangen
hin das höflich freundliche Wort ab: „Wir
vollen sehen, ich werde daran denken.“ Es
am selbst ein Augenblick, wo der Unbeug—
same zu festen Zusagen willig schien, als
der Eintritt des Königs Wilhelm die Unter—
altung, die sast eine Stunde gedauert und
der nur Napoleons Minister Talleyrand
eigewohnt, ein rasches Ende machte. Es folgte ein Mahl bei Na—
wleon. Man sprach von dem beendeten Kriege, von der Gefahr
der Königin, in Weimar durch Napoleons Husaren —Bu anu werden
ind in diesem Zusammenhaug mag es gewesen sein, daß Napoleon
ragte, wie nur Preußen mit seinen geringen Mitteln einen Krieg
jegen ihn habe anfangen können, und daß Königin Luise die berühnw
lutwort gab: „Der Ruhm Friedrichs des Großen hat uns ——
Nacht geläuscht.“ Das Opfer der Königin war umsonst. „Wie ein
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