Volltext: Literarische Streifzüge durch die Entwicklung der europäischen Gesellschaft

Aber die alten Formen, die alten Gesetze, die alten Mächte 
sind noch stark. Und das werdende Neue erscheint mehr 
als persönliche Ueberzeugung, als Ausnahme, als Abenteuer. 
Noch haben sich die Massen nicht formiert, und noch ist 
das Bewußtsein dessen, was geschieht, auf wenige be- 
schränkt. 
Und in dieser Gesellschaft, die in Bewegung geraten ist, 
sind einzelne Gruppen, einzelne Länder, den anderen voraus. 
Von der romanischen Welt geht die Bewegung aus, von 
dem Kulturzentrum der alten Welt, dem mittelländischen 
Meer. Italien erwacht am frühesten, Spanien wird nur halb 
und nur für kurze Zeit mitgerissen. Aber Frankreich und 
England nehmen die Bewegung auf und führen sie fort. 
Am Ende dieser Zeit stehen sie unbestritten an der Spitze 
und behaupten sich dann für die entscheidende Zeit des 
18. Jahrhunderts, 
Deutschlands Geschick aber wendet sich hier zuerst zum 
Tragischen. Ein Jahrzehnt entscheidet. Nachdem die Re- 
formation eingesetzt halte als eine große revolutionäre Be- 
wegung, ist mit dem Zusammenbruch des Bauernkrieges 
jeder gesellschaftliche Fortschritt für Jahrhunderte unter- 
bunden. Der dreißigjährige Krieg war die unvermeidliche 
Folge der Bauernniederlage, und Folge des dreißigjährigen 
Krieges war Deutschlands Lethargie in dem für das euro- 
päische Bürgertum entscheidenden Jahrhundert. 
Deutschlands Revolution kam zu früh und brach zu- 
sammen. England nahm sie hundert Jahre später erfolg- 
reich auf. Und Frankreich, das seine Bauernkämpfe und 
seine Adelskriege mit einem sauberen Sieg des Absolutismus 
zu Ende geführt hatte, hatte dadurch die Zentralmacht und 
die wirtschaftliche Einheil gewonnen, die Vorbedingungen für 
einen Aufstieg des Bürgertums, der in der Revolution enden 
mußte, 
In Deutschland allein siegte der Adel, der überall sonst zer- 
fiel und besiegt ward. Und da dessen gesellschaftliche Rolle 
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