eben angedeutet worden ist, wird eine letzte Eigentümlichkeit des Stuttgarter Fragmentes
verständlicher: Die Galerie der Kapellenzone setzt hier um eine volle Brüstungshöhe unter
der Stelle an, an der sie im Wiener Plan, auch am Bau selbst erscheint. Ein Schwanken im
Entwurf, für das Stadium des Stuttgarter Fragmentes noch bei den Fensterformen der
Zigismundkapelle festgestellt, kann solchen Unterschied allein nicht erklären. Wahrscheinlich
wurde hier der Versuch gemacht, die Schauwand⸗Wirkung der Außenglieder eines Strebebogen⸗
werkes von ausgesprochenem Flachtypus noch dadurch zu erhöhen, daß ihr Sockel stärker in
die Rapellenzone eingriff, sich in sie gleichsam verzahnte. Aus solcher Absicht erklärt sich
auch die steilere Dachlinie über dem äußeren Seitenschiff des Fragmentplanes. Für Prag er—
schien Neister Peter — der hier auch allgemein durch Rücksichten auf die Chorhauptpläne
seines Vorgangers gebunden war — zuletzt doch eine folgerichtige Trennung von Gaden⸗ und
Kapellenzone als das Richtige. Die Schauwand⸗Wirkung seiner äußeren Obergadenpfeiler
wußte er sich auf andere Weise zu sichern.
Wieso das Planfragment, welches solch kennzeichnende Parlerabsicht einer stärkeren Ver⸗
rnüpfung von Aufbauzonen belegt, zuletzt nach Stuttgart gekommen ist, kann erst im Schluß⸗
kapitel dargelegt werden. Schon hier wird aber jetzt eine Antwort auf die Frage fällig, wer
solche Meisterreplik nach derart persönlichen Plänen und Absichten Peter Parlers so bald
nach deren Entstehen hat herstellen dürfen. Warum ihr Autor sich gerade das im Aufbau be—
griffene Strebebogenwerk des Prager Domchores kopierter Es dabei mindestens im Ansatz der
Kapellengalerie planbearbeitete. Wenn vorerst nur als wahrscheinlich angenommen wird, daß
die hier behandelten Fragmente, durch die Schwabenbeziehungen der Parler in Prag entstanden,
von hier zurück nach Südwestdeutschland gekommen sind, für welchen Bau sollte dann der eben
untersuchte Querschnitt dienen?
Ulm scheidet zunächst aus, weil gerade hier die Parler, bis 1392 leitend, für das Lang⸗
haus eine großartig weitgespannte zallenanlage planten. Aus dem gleichen Grunde kann hier
Bmünd und Nürnberg außer Betracht bleiben. In Aussburg hatten sich die Parler beim
Ostchor für das Kompromiß einer pseudobasilikalen Anlage entschieden, nachdem kurz vorher
das Langhaus durch eine zallenanlage erweitert worden war. So wurde auch hier ein Strebe⸗
bogen werk nicht gebraucht. Nur für Freiburg / Br. kann in den Siebzigerjahren des 4. Jahr⸗
hunderts ein lebhaftes Interesse an Prager Obergadenplänen ohne weiteres vorausgesetzt wer⸗
—DD Ausbau des neuen Chores
betraut. In den Siebzigerjahren leitete er wahrscheinlich auch die Zütte an »z31l. Kreuz in
Zchwäb. Gmünd, besserte seit 3357 den Chor des Münsters von Basel aus. Ein Vorentwurf
nun des Chorgrundrisses von Freiburg / Br. befindet sich auf der Rückseite des Wiener Prag—
querschnittes Vr. j082). Er trägt auch die alte Aufschrift kor zu freiburz. Jüngst wurde
dieser Plan als ein Frühwerk Peter Parlers bezeichnet 100). Sind auch die für solche Ansicht
zenannten Gründe nicht überzeugend, so steht durch das Zusammen solcher Pläne auf einem
Pergament doch die Verbindung der nächst Gmünd wichtigsten und ältesten Parlerhütte, der⸗
enigen von Freiburg / Br., mit Prag gerade für die Siebzigerjahre fest. Kin Aufenthalt von
Johann II Parler in Prag ist moglich, aber nicht belegt. Zwei Söhne jedoch dieses Meisters,
Zeinrich IV Parler und Michael III Parler, sind für Prag nachzuweisen. Beide wurden auch
nach ihrem Geburtsort „von Freiburg“ genannt. FZeinrich, seit 1373 in Prag nachweisbar,