Full text: Die deutsche Kunst in Böhmen und Mähren

MÄHRISCH-TRÜBAU. HAUSPORTAL IM RATHAUS 
BÖHMISCH-LEIPA, LANGE GASSE, PORTAL VOM BERKAHAUS 
19. Jahrhundert zu verantworten hat, ergab sich noch eine fruchtbare Begegnung 
des neuen Fassadenanspruchs mit spätgotischer Überlieferung. Daß deren 
Kräfte gerade im Bereich des bürgerlichen Wohnbaues besonders lebendig 
blieben, zeigte sich schon bei der Betrachtung sudetenländischer Rathäuser 
{S. 49—51). In Böhmen, das damals stärker und unmittelbarer als manche Länder 
des Altreichs italienische Anregungen zu verarbeiten hatte, haben die im bürger- 
lichen Bauhandwerk erhaltenen bodenständigen Formkräfte eine wichtige Auf- 
gabe erfüllt (s. auch S. 40). Dabei kam es so zu merkwürdigem Ineinander von Alt 
und Neu, von italienischen Vorlagen und deutscher Interpretation wie beim Por - 
tal des Stadthauses, das sich die Berka von Dauba 1555 in Böhmisch- 
Leipa errichten ließen. Spätgotisch gedrehten Bündelsäulen mit Laubwerk- 
köpfen, die nach Art von Blockkapitellen behandelt sind, ist hier ein Gebälk auf- 
erlegt, in dessen Reliefs noch das Drachenkampf-Motiv deutscher Romanik auf- 
taucht. Ähnlich frei verfuhr auch der Werkmeister mit den höfischen Säulenord- 
nungen seiner Zeit, welcher das Portal des Hauses „Zum Einhorn‘‘ am Prag-Alt- 
städter Ring erbaute. Sächsische Bauleute, die durch die Reformation nach Mäh - 
risch-Trübau kamen, haben hier 1540 für einen reichen Bürger jenes Säulen- 
portal geschaffen, das später dem Rathaus der Stadt einverleibt wurde. Vorbilder 
von der Art des Dresdener Georgentores sind hier mit naiver Sicherheit in die 
derbere Formenfülle volkstümlicher Steinmetzgotik übersetzt. Die bayrische Freude 
an reichen Hausmalereien teilten an der Nordseite des Böhmerwaldes vor allem 
die Bürger von Prachatitz (S. 40). Hier bewährte sich nochmals die Mittlerrolle 
des von Passau heraufführenden ‚Goldenen Steiges‘. 
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