Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Mitteilungen der Kgl. Württemberg. Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1906, Bd. 1, Heft 1/12)

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Mitteilungen der Beratungsstelle für das Baugewerbe 
herausgegeben von der Königl. Zentralstelle für HGewerbe und handel 
1. Jahrgang. 
Stuttgart, April 1906. 
—— Nummer 4. 
Mit welchen Mitteln kann 
nweiten Kreisen begegnet man oft der 
verhängnisvollen Anschauung, eine Fassade 
zönne nur dann Anspruch auf Schönheit und 
zünstlerischen Wert machen, wenn sie recht 
reich verziert und mit Erkerchen, Giebelchen, 
Türmchen, Verdachungen, Ornamenten und 
dergl. ausstaffiert werde. Darnach müßte 
eine Fassade umso schöner sein, je mehr Bildhauerei, Aus- 
bauten und Sierrat angebracht wären. Wenn dem so 
wäre, dann könnten sich nur die reichen Leute den Cuxus 
leisten, ein schönes Haus zu besitzen. Dem ist aber nicht 
jo, und viele alte Beispiele aus der Seit unserer Vorväter, 
an denen allerdings heute noch die meisten achtlos vorbei— 
gehen, weil dieselben altersgrau geworden sind und den 
Zetreffenden häufig das Verständnis für vornehme CEinfach— 
heit abgeht, beweisen uns das Gegenteil. Sie geben uns 
Winke, wie auch wir bei einfachen und bescheidenen 
HDerhältnissen doch eine gute Wirkung erzielen und einem 
hause ein schmuckes Aussehen geben können. Wir müssen 
ins nur dessen bewußt bleiben, mit welchen Mitteln der 
Baumeister wirken kann, und verstehen lernen, diese am 
richtigen Platz anzuwenden. Vor allem müssen wir uns 
hüten vor einer Häufung der Motive, weil sonst eines das 
nan eine Fassade beleben? 
indere beeinträchtigt und auf diese Weise eine Unruhe und 
Unsicherheit entsteht, die keine angenehme Gesamtwirkung 
ufkommen läßt. Dies ist sowohl bei Anwendung größerer 
Architekturmotive als Giebel, Erker, Balkone ꝛc., als auch 
zei der Ornamentierung im einzelnen zu beachten. Ferner 
nuß der entwerfende Baumeister einen Unterschied machen 
wischen städtischen, eingebauten häusern, bei welchen oft 
iur die Straßenfassade zu sehen ist, und zwischen ganz frei— 
ehenden, bei denen die einzelnen Ansichten ziemlich gleich— 
oertig sein sollen. Wo nur die eine eingebaute Fassade gegen 
ie Straße zu sehen ist, kann man diese als ein Stück für sich 
etrachten, das man mit besonderer Liebe behandeln will, 
mm ein Schmuckstück daraus zu machen. Doch darf man, 
oenn das haus nicht ganz eingebaut ist, auch nicht in den 
zehler verfallen, der im vorangehenden Artikel gerügt wurde, 
aß man die Fassade ganz losgelöst vom übrigen Gebäude— 
örper behandelt und wie eine Kulisse vorsetzt. Beim frei— 
tehenden Haus dagegen muß man sich hüten, daß man 
richt einfach ein paar Fassaden nebeneinanderstellt, un— 
ekümmert um die perspektivische Wirkung. 
Haben wir uns diese Grundregeln fest eingeprägt, so wollen 
vir einmal Umschau halten, welche Mittel dem Baumeister zur 
zZelebung seiner Fassaden zur Verfüqung stehen. In haupt-— 
candhaus in Ravensburg. 
hummel & 
Förstner, Architekten, Stuttqgart 
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