Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Mitteilungen der Kgl. Württemberg. Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1911, Bd. 6, Heft 1/12)

sich natürlich und künstlich Altes 
zegenüberstehen. Es ist des— 
dalb sehr leicht zu verstehen, 
warum heute der verständige 
Zaumeister sein Bemühen nicht 
auf moglichst getreues Kopieren 
mehr verschwendet, sondern lieber 
darauf richtet, das bestehende 
Alte verständnisvoll zu schonen 
und so weit als möglich wieder 
zu verwenden, und weswegen 
er im übrigen aber sich bemüht, 
alles Neue aus seiner hand 
statt ihm ein stilistisches Mäntel— 
hen umzuhängen, geschmackvoll 
und gediegen und in der 
Formensprache seiner Zeit gibt. 
In diesem Sinne modern ist 
nun die von den eingangs er— 
vähnten Architekten durchge— 
ührte Erneuerung der Kirche, 
die wir in der Abbildung bringen. 
Die äußerlich erkennbaren Um— 
bauten erstreckten sich, wie aus 
den Abbildungen ersichtlich, auf nicht allzugroße AÄnderungen 
an der Eingangshalle, an den Fenstern, am Sakristeibau und 
am Turm. Dagegen waren weitergehende Umbauten im 
Innern nötig, um den seit der letzten Erneuerung von 
1762 mehr und mehr in trostlosen Derfall geratenen Bau 
wieder herzustellen. Mit dem verhältnismäßig geringen 
Aufwand von nahezu 26000 Mxk. gelang es, das Innere, 
welches nun für 200 Besucher Platz bietet, „ebenso hell, 
traulich und trocken, wie es vorher düster, feucht und 
plump gewesen war“, neu zu gestalten. 
Dabei galt es mit der erwähnten Kostensumme — unter 
Zeibehaltung der alten Anordnung im ganzen — im ein— 
zelnen das Meiste fast ganz zu erneuern. Die Orgel im Chor 
ist geblieben; die jetzt tiefer gehaltene Kanzel ist seitwärts 
an den Chorbogen gelegt, wahrend der Altar mit bläulich 
irisierenden Plättchen bekleidet in der Mitte unter ihm 
steht und so als hauptstück des Raumes architektonisch 
besonders hervorgehoben erscheint. Der Kanzel gegenüber 
liegt der in besonderer Abbildung wiedergegebene „Grafen⸗ 
stuhl“, der ebenfalls eine durchgreifende Erneuerung er— 
fuhr. Er ist in dunklem holz ausgeführt, die heller ge—⸗ 
haltene Decke ist kassetiert. Die über ihn hinweggeführte 
Empore, die ebenfalls stark erneuert wurde, ist von 
Kirche in Riet, 
Kirche in Riet. Grundriß. 
wei eichenen Säulen getragen, 
)eren prächtig geschnitzte Kapi— 
äle aus den Eberköpfen des 
Wappens der Grafen von 
Keischach gebildet, durch die 
farbenfreudige Erneuerung in 
gleicher Weise erst zur rechten 
Wirkung gelangi, wie das an 
der Emporenbrüstung ange— 
brachte Wappen. 
Des weiteren bemerkens⸗ 
wert an der inneren Ausstat—⸗ 
rung ist die farbige Behandlung 
des ganzen Raumes. Die weiße 
Decke des Schiffs mit vier Re—⸗ 
iefs in Schablonentechnik (Früh⸗ 
ing, Sommer, herbst und Win⸗ 
zer), die hellblau gehaltene, mit 
zunten, stilisierten Blumen ge—⸗— 
chmückte Emporenbrüstung, das 
freundliche Mausgrau des Ge— 
stühls und der warme Siegelton 
des Fußbodens (Plättchenbelag) 
geben eine ebenso wohlige als 
uch weihevolle Raumstimmung. Der durch eine orangen⸗ 
arbige Tönung vom Schiff abgesonderte und so besonders 
etonte Chor, dessen Gewölbezwickel durch freihändig auf— 
jemalte Füllornamente belebt sind, hat einen ausgezeich— 
jeten Schmuck erhalten durch die weißbemalte Orgel mit 
hren schwarzen und goldgefaßten Säulen. 
Das derart neugestaltete Innere ist es nun nicht allein, 
vas mit der oben erwähnten Bausumme erzielt wurde. 
Die das Innere, so wurde auch das Außere aus einem 
erwahrlosten in einen würdigen Zustand zurückversetzt 
nd außerdem noch bedeutende Ausgaben für neue Glocken, 
eue Uhr sowie für die Instandsetzung des Kirchenplatzes 
jemacht, so daß außer der künstlerischen Leistung auch das 
jeschickte Auskommen mit den gegebenen Mitteln besonders 
servorgehoben zu werden vgghienn. — Hauf 
Die Färbung unserer Häuser 
Hhausanstriche. ist etwas, was in unserer Zeit 
ielsfach als nebensächlich behandelt wird. Man sollte sich 
arin nicht immer allzu gedankenlos der Willkür des 
hipser⸗ oder Malergehilfen anvertrauen. Namentlich die 
hörfer in der Nähe größerer Städte zeigen oft in wenig 
erfreulicher Weise, was dabei entsteht, wenn man sich dem 
Heschmack eines Einzelnen ausliefert. Es sind auf diese 
* 
— — 
Kirche in Riet. Emporengrundriß. 
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