ar Bauplatz
und Werkstaltt
Mitteilungen der Beratungsstelle für das Baugewerbe
herausgegeben von der Königl. Zentralstelle für Hewerbe und handel
) 6. Jahrgang.
Stuttgart, Dezember 1911. 107 nummer 12.
Wasser- und Aussichtsturm.
Daß ein,Nutz⸗
bau“ an sich nicht
häßlich zu sein
braucht, ist eine Er⸗
kenntnis, die noch
lang nicht allge—
mein genug ver⸗
breitet ist. Das
beweisen die vielen
Fabriken, Brücken,
Elektrizitätsanla⸗
gen und anderes
mehr, was heute
an reinen Nutzbau⸗
ten entsteht, ohne
daß die Allgemein⸗
heit daran Anstoß
nimmt. Alle diese
häßlichkeiten wer⸗
den immer noch
mit einer Gleich
gültigkeit hinge—
nommen, als ob
sie in der Natur
derartiger Bauten
begründet lägen.
Dabei steht es je⸗
doch fest, daß ge⸗
rade sie dem Bau⸗
meister unserer
Tage die „großen“
Aufgaben bieten.
Die hier meist über
das übliche Maß
hinausgehenden
ODerhältnisse geben
Ersatz für die in
unserer Zeit ja
so selten gewor—
denen Aufgaben,
an denen die Bau⸗
meister früherer
Jahrhunderte ihren
monumentalen Sinn
betätigen konnten.
Freilich derfromme
—
*
Wasser⸗ und Aussichtsturm. Entwurf:
Peratungsstelle für das Baugewerbe.
Sinn, mit dem sich
der mittelalter⸗
liche Baumeister zu
Ehren des höheren
auch gelegentlich
ein Zuviel an
Raum u. Material
gestatten konnte,
so wie es ihm sein
künstlerisches Ge⸗
fühl guthieß, ist bei
derartigen moder—
nen Aufgaben nir⸗
gends mehr am
Platze. Hier herrscht
ein anderer Geist:
der Geist der
Zweckmäßigkeitu.
des Sparens. Je—⸗
doch auch aus die⸗
sem Geist heraus
lassen sich Kunst⸗
werke schaffen, ja
höhere Kunstwerke
dielleicht, als es
unserer Zeit mit
reicheren Mitteln
gelingt. Denn wenn
rin Kunstwerk um-
so größer ist, je
wahrhaftiger es
ist, je mehr es der
Ausdruck seiner
Zeit ist, so könnten
gerade unsere Fa—
briben durchweg
Kunstwerke sein.
Sie allein sollen
den Geist unver—
hüllt zeigen, der
unsere Zeit kenn⸗
zeichnet, den Geist
der Wirtschaftlich-
keit, den Geist, der
mit den wenigsten
Mitteln das meiste
—17