Full text: Bauplatz und Werkstatt / Monats-Zeitschrift der Staatlichen Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1936, Bd. 31. Heft 1/2)

ZEITGEMÄSSE FORDERUNGEN AN DAS SIEDLUNGSWESEN 
3. Fortsetgung 
Es würde nun aber keiner zeitgemäßen Stellung zu den Aufgaben des Sied- 
‚ungswesens entsprechen, wenn man sich der Gefahr verschließen wollte, die 
mit dem Hervorholen und Betrachten solch alter Lagepläne, wie sie im Leben 
des Banats oder anderer Gegenden gefunden werden, verbunden sind. Unsere 
Zeit begünstigt das Aufgreifen von schon Bestehendem oder vergangenem 
Alten und dessen Verwirklichung. Es ist gut, wenn man sich dieser Erscheinung 
in größtem Maße bewußt wird. Gewiß kann hier - natürlich immer mit dem 
Schein des Rechtes - eingewendet werden: als Bewährtes, warum soll es in 
unserer Zeit keine Gültigkeit mehr haben, warum kann es nicht wieder an- 
gewendet werden? Solche Versuche werden ja wohl auch schon unternommen. 
Man wird ihnen gegenüber den Standpunkt einnehmen können: immer noch 
besser z. B. als eine Reihensiedlung. Dies kann uns aber nicht hindern, das 
Problem als solches in seiner ganzen Tiefe zu fassen und dann zu lösen zu 
versuchen. Dann drängt sich uns zum Vergleich dessen, was wir mit der 
Wiederherstellung eines solchen alten Ortsbildes tun, ein Bild auf, das den 
Tatbestand im Wesentlichen zu treffen scheint: Was würden wir heute dazu 
sagen, wenn unsere Technik eine Postkutsche damaliger Zeiten als Modell für 
ihre Autos benugen würde, um damit sozusagen aie Vergangenheit zu erhalten 
und zu pflegen. Sehen wir heute z. B. im Film anläßlich einer Gedenkfeier von 
Daimler die alten Wagen auftauchen, so hat man ein recht großes Gefühl der 
3efreiung und Erlösung, wenn diese in die uns schön anmutenden Formen der 
„neuesten Modelle” einmünden. 
Nocheinmal möchte unsere Aufmerksamkeit auf die in der legten Nummer ab- 
gedruckten Banater Siedlungen gelenkt werden. Betrachten wir Abb. 9, die 
Kreisanlage, so haben wir in deren Mitte eben den schon erwähnten Brunnen 
ınd er wird in uns manchen Gedankengang sowie auch unser Fortschreiten 
7zom Alten zum Kommenden recht fördern, wenn wir die Tiefsinnigkeit der da- 
naligen Zeit und Menschen gerade in dem sehen, daß wir uns vergegenwärti- 
gen, wie versucht wurde, die Kreisanlage mit einem Brunnen in Einklang ge- 
>racht zu haben. Nehmen wir den Plan der Abb. 10, so stoßen wir auf eine 
mehr im Viereck ausgebaute Anlage, die im Mittelpunkt nun eine Kirche hat. 
Dabei soll die Überlegung einer in der Zeit sich zeigenden Verschiedenheit nicht 
von der Hand gewiesen werden. Aber für uns kann im Zusammenschauen 
einer Siedlungsanlage und ihres Mittelpunktes der Anstoß werden, den 
Mittelpunkt zu suchen, der unserer Zeit entspricht. 
Bei der Kreisanlage können wir ungefähr feststellen, daß ein Brunnen heute 
zaum mehr diese Funktion ausüben kann, weil heute wohl in jedem Haus eine 
Wasserleitung anzutreffen ist. In früheren Zeiten war dies anders. Damals hatte 
ein Brunnen als gemeinsamer Spender des Wassers eine andere weit größere 
Bedeutung für die Menschen. Gewiß kann dem Quell- oder gar Mineralwasser 
noch ein ähnlicher Wert zuerkannt werden. Damit soll nun nicht der falsche 
Schein oder Verdacht erweckt werden, als ob solche alte Markt- oder Orits- 
brunnen, die eines besonderen Schuges und ihrer Erhaltung wert wären, nicht 
zu unseren besonderen Siedlungen gehörten. Aber wir sollten nicht vergessen, 
daß, wo wir ihnen begegnen, wir auf dem Boden der Vergangenheit stehen. 
Und wir werden damit der Frage nicht enthoben, die in Menschen unserer 
Zeit auftaucht und deren Beantwortung nur gelingt, wenn wir aus dem sinn- 
vollen Tun früherer Zeiten die Prinzipien aufzufinden vermögen, um mit deren
	        
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