Full text: Bauplatz und Werkstatt / Monats-Zeitschrift der Staatlichen Beratungsstelle für das Baugewerbe (Jg. 1936, Bd. 31. Heft 1/2)

Abb. 15. TRAUFHÄUSER AUS WEIKERSHEIM 
mit Zwerchhäusern 
»ben das „Rathaus”. Von ihm aus hatte ja die Beratung der Bürgerschaft zu er- 
'olgen, nachdem zuvor die „Ratsherrn” in ihren Sigungen sich beratend, das Beste 
für ihre Stadt beschlossen hatten. Also mußte bei ihm hauptsächlich Kopf und 
Gesicht in Erscheinung treten. In diesem Zusammenhang möchte nur in den 
allgemeinsten Umrissen auf die Übereinstimmung von Formgebung und deren 
Sinn im Tun und Leben der Bewohner hingewiesen werden. Selbstverständlich 
können nun ebenso viele Beispiele herangeholt werden, die anderes zeigen und 
aussagen. Deshalb sprechen sie aber noch nicht gegen diese hier dargelegte 
Anschauung. Ein gründliches Eingehen auf die betreffenden Verhältnisse wird 
in seinen Ergebnissen doch zu ähnlichen Anschauungen kommen. Nun könnte 
eingewendet werden, daß für eine solche Bebauung und Gestaltung eines Markt- 
plages - ähnliche Erscheinungen zeigen auch die Platgestaltungen der Kirchen - 
ganz anderes maßgebend und ausschlaggebend war : man strebte eine möglichst 
enganeinanderliegende Bauweise an, damit recht viele Menschen der betreffen- 
den Stadt am Marktplats wohnen konnten. Als ein Einwand dagegen bräuchte 
dies nicht angesehen werden. Die Bedeutung und der Sinn des Giebels wird 
damit nicht berührt. Auch heute noch kann und darf die Giebelseite eines Hauses 
voll und ganz als dessen Gesicht angesprochen werden. 
Wird diese Anschauung vom damaligen Haus und seine Stellung zum Nachbar- 
haus tief und ernst genommen, so ergeben sich daraus, jebt nicht mehr als 
Raumplanung, obgleich es auch darauf seine Rückwirkung haben wird, sondern 
als Anordnung der Häuser nach ihrer Stellung zueinander und etwa zu einem 
gemeinsamen Bau, Richtlinien, die in ihrer Ausführung für eine Siedlung ebenso 
bedeutsam und wichtig sein werden wie die bisher aufgefundenen Raum- 
ordnungsgesetbe. 
Wie die Giebelseite eines Hauses dem Kopf des Menschen in einer gewissen 
bildhaften Weise entspricht und sie als solcher betrachtet werden kann, so kann 
eine Parallele in dem gesehen werden, wenn die Lang- oder Breitseite eines 
Hauses in Beziehung gesett wird zu dem, was im Menschen an Gefühlsmäßigem 
zu finden ist, Das Seite an Seite stehen, das einem Menschen zur Seite stehen, 
was doch gleichbedeutend ist mit einem Helfen und Tragen in allen Lebens- 
‚agen, kann in seiner Bildhaftigkeit ohne weiteres auf das enge Nebeneinander 
der Häuser der damaligen Zeit übertragen werden. Es war eben in früheren 
Zeiten doch so, daß das Tun und Treiben der Menschen, ihr seelisches Verhalten 
zueinander, ihr geistiges Leben miteinander gerade in der Anordnung der 
Häuser, in ihrem Bau, ihrem Schmuck, wohl in allem, was am Haus wieder in 
Erscheinung getreten ist;seinen Wiederschein, auch seine Offenbarung gefunden 
hat. Keine andere Art der Anschauung und Betrachtung unserer Umwelt gibt 
uns die Möglichkeit, solch tiefe Einsichten in das Werden einer Stadt zu erhalten. 
Aus einer solchen Baugesinnung heraus können wir das Wachsen des Stadt- 
bildes in den verschiedensten Abstufungen erfassen und begreifen. Und es wird 
mit zum Allerwichtigsten für die Weiterentwicklung der Architektur gehören, 
wenn der Gedanke im eigenen Wissen Plat finden kann, daß, wenn Menschen
	        
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