Full text: Für Bauplatz und Werkstatt / Monats-Schrift der staatlichen Beratungsstelle für das Baugewerbe (1937 / Sonderdruck)

VORWORT: 
Wenn wir mit diesem Heft neue oder zeitgemäße Ge- 
danken zur Siedlungsfrage vorlegen, so verbinden wir 
damit folgende Frage an den Leser: Welches Bild einer Sied- 
lung lebt heute in uns? 
Als Antwort darauf, ersteht in der Vorstellung sofort das typische 
Bild der Reihung. Und zwar eine ästhetisch saubere Reihung 
von möglichst gleichen Elementen von Siedlungshäusern, die 
entweder den Giebel oder die Traufe zeigen. Die Hausform 
ist heute vollkommen klargestellt. Das deutsche Giebel- und 
Walmdach hat die kubische Hausform des „Bauhauses” und des 
‚neuen Frankfurt” endgültig abgelöst. Allein, wie steht es mit 
dem Bebauungsgedanken der Reihung? Jeder kennt die langen 
gleichartigen Zeilen der Siedlungen in Karlsruhe, Frankfurt, 
Celle und Dessau. Auch unsere neuesten Siedlungen, bei denen 
Giebelhaus an Giebelhaus gereiht in endloser Zeile steht, lassen 
die Frage aufwachen: „Möchtest du in einem dieser Häuser 
wohnen?” Eine solche Frage ist durchaus nicht überflüssig ; denn 
noch immer, wo sie in den zahlreichen Besprechungen und Be- 
ratungen an jemand gerichtet wurde, mußten wir ein „Nein“ 
als Antwort hören. Als legte Möglichkeit des Wohnens inner- 
halb einer solchen Siedlung wurde dann noch eines der Eck- 
häuser bezeichnet. Wenn man als Architekt über eine solche 
Ablehnung auch zuerst erstaunt war, so fand man doch sehr 
bald die psychologische Begründung und deren urgesunde 
Wurzel: Werden derartige Siedlungen besonders starr und 
gleichmäßig durchgeführt, so wird sich der einzelne samt seiner 
Familie nie richtig heimisch und bodenständig fühlen. Daran 
werden auch bestdurchgearbeitete und praktische Lösungen 
der Einzelhäuser nichts ändern. Es unterliegt gar keinem Zweifel: 
Es bedarf einer ungeheuer ernsten und gründlichen Selbst- 
prüfung, um sich klar zu sein darüber, was noch von alten An- 
schauungen in uns lebt, und was dem Wesen und Geiste der 
neuen Zeit des Nationalsozialismus entspricht und gerecht wird. 
Was bei der Hausform hinsichtlich des Daches erreicht ist, muß 
Das obige Bild stellt Bernau i. bad. Schwarzwald nacheiner Zeichnung von Herrn L.Schmieder 
JTeidelberq dar. Mit frdl. Erlaubnis d. Verlags „Badische Heimat” in Freibura i.B. wiederaegeben.
	        
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