Bauformen für die Praxis
«Die Welt der Formen im Wandel der Zeit
im Hinblick auf das Handmerk»
7. Fortfegung
Zu der Art, wie hier Formen betrachtet merden, kann Folgendes gelagt merden :
Es ift möglich, daß diele Art, die aus der heute üblichen Betrachtung von Kunftformen
herausfällt, unterfchiedliche Aufnahme erfährt. Es geht hier darum, daß Kunftformen
fo genommen merden, wie fie aus dem künftlerikchen Schaffensbereich heraus urfprünglich
ent/tehen. Man darf einem genialen Meilter, mie Rembrandt anerkanntermaßen einer mar,
zutrauen, daß für Ihn weder Erinnerungen, noch anderes nötig und möglich waren, wenn
er künftlerifch geftaltete. Man [pricht fo vielfach vom „fchöpferifchen Künftler”, und mit
Recht. Denn ohne diefe urlprüngliche Schöpferkraft ift in Wirklichkeit kein wahres Kunft-
(chaffen zu leiften. Es bedeutet immer ein gewilfes Verlagen im künftlerifchen Geltalten,
wenn andere Hilfsmittel als die rein Künftleriichen beim Zultandekommen eines Kunflt=
werkes vermutet merden müßten.
Wenn hier Rembrandt’fche Bilder in die Betrachtung einbezogen merden, fo gekchieht es
gerade aus der Vorausfegung, daß der geniale Künktler feine Formen fo mählt und ge=
ftaltet, daß fie außerhalb jeden Nebenzmweckes nur als künftlerifche Form zu beftehen haben.
Das mill Folgendes befagen: menn Rembrandt z. B. einen Rundbogen in einem Bilde ver=
wendet, fo braucht er diefen als Bildform, um das Thema darftellen zu können, das er
lich mit dem betreffenden Bilde vorgenommen hat. Das ift keinesmegs fo, daß er fich etwa
ausgedacht hätte: Philoloph, allo Rundbogen. Wir müllen das anders nehmen: aus der
Folgerichtigkeit, die dem echten künftlerifchen Schaffen innewohnt, geltaltet Rembrandt
feine Formen. Ein Bild mird alfo nicht vorher ausgedacht und nachher gemalt, fondern es
entfteht im Schaffen felbft. Wir können fogar foweit gehen und behaupten, daß ein Künftler,
der fich ganz an die Eigengeleölichkeit des künftleriichen Geltaltens hingibt, aus dem mer=
denden Bilde felber erft die Erkenntnis über die befondere Formgebung feines Bildes ent=
1immt. Und genau fo wurde hier die Formbetrachtung aus den Bildern verfucht. Es gibt
kaum eine andere Möglichkeit, um dem Weflensausdruck einer Form nachzugehen, als die
Vertiefung in die Formenfprache der Kunftmerke. Denn dort fpricht ich die Form felbft und
urfprünglich aus.
Wenn auf Einzelformen hingemwielen wurde, fo ift nur ein Teil der möglichen Betrachtung
damit herausgegriffen worden. Im Kunltmerk, das aus einem Geilte ein Ganzes darltellt,
kommt in der Teilform nur zum Ausdruck, mas das ganze Werk durchzieht, und um-
gekehrt atmet die Einzelheit den Geilt des Ganzen aus. Deshalb gibt das hier Befprochene
noch keinesmegs alles, mas über ein folches Bild zu lagen märe. Es darf auch das noch
bemerkt werden, daß ein künftlerikches Thema, z. B. der Philofoph, über den Rahmen der
hier beigezogenen Beobachtungen hinausreicht. Auf eine Feinheit möge abfchließend noch
hingeriefen werden, die uns zur Ehrfurcht vor der Meilterfchaft Rembrandts führen kann.
Vergleicht man die beiden vorliegenden Bilder, den Philorophen und den Heiligen, fo Fällt
uns die fchon belprochene Spiraltreppe auf, die dem Philofophenraum eignet. Eine folche
Treppe mit Spirallpindel ift an fich fehon eine reizvolle Konftruktion. Sie trägt fich kon=
ftruktiv in fich und durch die Einfpannung in der Spiralabmicklung. Künftlerifch ft fie fo
zu betrachten: fie führt nach oben, mie es jede Treppe tut. Sie führt aber doch miederum
anders als eine einläufige oder mehrläufige Treppe oder als eine in einen Turm eingebaute
ange Wendeltreppe. Sie führt frei, mit meitausholendem Bogen, der um. die vertikale Achle