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Gemeiniglich bestehen derartige Cisternen aus brunnen-
artigen Wasserbehältern von nur mäfsigem Umfange, oder aus
grofsen Bassins, theils überdeckt, theils offen, in welchen das
zugeführte Wasser gesammelt und filtrirt wird.
Die venetianischen Wasserbehälter. Cisternen oder Cozzi.
Wie allgemein bekannt, liegt Venedig mitten in Lagunen,
welche nur durch eine schmale Landzunge vom adriatischen
Meerbusen getrennt sind. Das Meerwasser dringt in die La-
gunen durch fünf Oeffnungen, welche die Häfen von Venedig
bilden. Ebbe und Fluth wechseln daselbst regelmälsig wie
im Meere, und der Unterschied zwischen denselben beträgt
ungefähr 3 Pariser Fufs. Venedig ist also ganz von salzigem
Meerwasser umgeben und hat keine einzige süße Quelle auf
seinem Territorium. Gräbt man 2 bis 3 Fufs unter die Ober-
fAäche des Bodens, so kommt man fast überall auf Meerwasser.
Bei solchen Ortsverhältnissen ist es leicht begreiflich, wel-
chen Werth das süfßse Wasser hat und welche Sorgfalt von
jeher angewendet werden mufste, um die Einwohner mit trink-
barem Wasser zu versehen. Es war deswegen nothwendig,
eine Menge Behältnisse herzustellen, in welchen das Regen.
wasser sorgfältig gesammelt und aufbewahrt werden kann
und wo dasselbe vor dem Eindringen des Meerwassers ge-
sichert ist. Bei aufserordentlichen Fluthen übersteigt das-
selbe überdies die gewöhnliche Fluth um mehrere Fuls, so
dafs manchmal die höchstliegenden Strafsen und Plätze von
Venedig überschwemmt werden, weshalb auch Rücksicht ge-
nommen werden mufs, dafs das Eindringen des Meerwassers
in die Cisterne nicht stattfinden kann.
Dies erlangt man vollkommen auf folgende ganz eigen-
thümliche, und vielleicht aufser Venedig bis jetzt nirgends in
Gebrauch gekommene Weise:
Man gräbt eine Grube (Behälter oder Becken) abed Fig. 3
Bl. 18 auf eine beliebige Tiefe ac Fig. 2 — hier etwa 15 Fulßs —
aus. KRingsum errichtet man eine Wand acbd von gutem,
zähen Thon, der zu einem Teig bearbeitet wird und oben
gewöhnlich 2 Fufs stark ist, welche Stärke nach unten zu-
nimmt, wie die Fig. 2 dies deutlich zeigt. Ist dies geschehen,
so wird das Becken sorgfältig vom eingedrungenen Wasser
ausgeleert. Auf einer starken Platte von Istrianer Stein (Mar-
mor) wird alsdann die cylindrische Röhre R und in Fig. 5
im Grundrisse dargestellt, aus gewöhnlichen guten Backstei-
nen, jedoch ohne Mörtel errichtet, und diese Röhre wird
zur Erlangung gröfserer Festigkeit bei kleinem Ziegelformat
noch mit einem zweiten Cylinder, ebenfalls ohne Mörtel, um-
geben. Der ganze Raum, oder das Becken, wird alsdann mit
reinem und feinem Flufssande gefüllt, worauf die herumlau-
fende Gallerie (Seiher) G@ aus Backsteinen mit Mörtel herge-
stellt wird. Die Oeffnungen 0000 Fig. 2 und 3 werden mit
einer durchlöcherten Steinplatte Fig. 4 versehen, damit das
Regenwasser frei in die Gallerie eindringen kann. Der her-
vorragende Schöpfring H Fig. 2 besteht gewöhnlich aus ei-
nem Cylinder von Marmor oder Erz, und ist meistens mit
Verzierungen, Inschriften oder Figuren geschmückt. Fig. 1.
Es braucht kaum bemerkt zu werden, dafs die Ober-
fläche ab Fig. 2 höher zu liegen kommen mulfs, als die au-
(sergewöhnlichen Fluthen steigen können.
Das Regenwasser, welches aus den Dachrinnen sorgfältig
in die Oeffnungen der Gallerien geleitet wird, reinigt sich von
allen fremdartigen Bestandtheilen, indem es langsam durch
den Sand in die Röhre R filtrirt, und so geschieht es, dafs
man in Venedig vorzügliches Wasser trinkt, obwohl jede na-
türliche Quelle mangelt.
*) Nach Förster’s vortreflicher Allyzemeiner Bauzeitung. Jahrg. 1836, S. 159.
Wird mit der Zeit der Sand verschlammt, so dafs das
Filtriren nicht mehr gehörig stattfinden kann, so hebt man
den in der Gallerie @ liegenden Sand aus und trägt neuen,
seinen Sand ein, zu welcher Verrichtung die Oeffnungen 0000
Fig. 2 und 3 so weit sein müssen, dafs ein Mann bequem in
lie Gallerie @, welche ringsum einen Gang Fig. 3 bildet, ein-
ınd aussteigen kann.
Sollte auf irgend eine Weise einmal Seewasser in die Ci-
;terne eindringen, so muls aller Sand herausgenommen, über-
aaupt alle Spur von salzigem Wasser vertilgt werden, und
laher kann man auch den alten Sand, selbst wenn er ge-
rocknet und ausgewässert sein sollte, nicht mehr ohne Nach-
‘heil verwenden. ;
Bei anhaltender Dürre und dem daraus entstehenden Was-
sermangel werden die Cisternen mit Flufswasser gefüllt, das
man aus Flüssen, hier aus der Brenta oder dem Sile, auf
Schiffen zuführt, welches dann bei o eingegossen wird.
Es mögen in Venedig 4000 bis 4500 Cisternen bestehen,
wovon über 1500 vortreffliches trinkbares Wasser geben.
Jeffentliche Cisternen sind hier gegen 300.
Für den Fall, dafs wegen einer feindlichen Belagerung
lie Zufuhr des Wassers aus der Brenta oder dem Sile nicht
stattfinden könnte, sorgen vier ungeheure Cisternen, welche
ım Lido im Jahre 1797 hergestellt worden sind, hinlänglich
lafür, dafs im nachtheiligsten Falle die jetzige Bevölkerung
af ein volles Jahr mit Wasser genugsam versehen werden
zann.
In einer Versammlung der Academie der Wissenschaften
in Paris machte Herr M. 6. Grimaud folgende Mittheilungen
über die Cisternen von, Venedig, die zur Erläuterung,
Vervollständigung und Bestätigung des Vorangeführten noch
lienen mögen *).
„Venedig **), das eine so merkwürdige Lage inmitten ei-
1e8s grofsen Salzsee’s hat, der mit dem Meere communicirt,
‘st auf einer Fläche von 5,200,000 Quadratmetern, die grofsen
ınd kleinen Kanäle abgezogen, ‚erbaut. Für gewöhnlich fallen
ıer im Jahre 82 Centimeter Regen. Der gröfste Theil dieses
Regens wird in 2077 Cisternen aufgefangen, von denen 177
lem Staate, 1900 Privathäusern angehören, Zusammengenom-
men fassen sie 202,735 Cubikmeter,
Der Regenmesser des Patriarchen-Seminars zeigt, dafs
der Regen in genügenden Zeit-Intervallen und Mengen fällt,
um die Cisternen fünfmal im Jahre zu füllen, was für den
Xopf ungefähr 24 Liter geben würde. Aber da der zur Rei-
aigung bestimmte Sand fast den dritten Theil der ganzen Ca:
vacitäß der Cisterne einnimmt, so reduciren sich die 24 Liter
auf 16.
Die Cisternen von Venedig können sowohl wegen ihrer
Jonstruction als wegen des Materials, das bei ihnen zur An-
wendung gekommen ist, als Muster gelten, und verdienen
sie deshalb in allen ihren Einzelheiten studirt zu werden.
Die folgenden Mittheilungen über dieselben können als
amtliche angesehen werden, da sie mir vom Herrn Salva-
dori, dem Ingenieur der Municipalität von Venedig, gemacht
worden sind.‘ |
Die wesentlichen Materialien einer Cisterne sind Thon
ınd Sand. Man gräbt den Boden ungefähr bis zu einer Tiefe
von 3 Meter aus; tiefer zu gehen hindert das Aufsteigen des
Lagunenwassers. Der Grube giebt man die Gestalt einer ab-
zestumpften Pyramide, deren Basis nach oben gerichtet ist.
Das Erdreich in der Umgebung stützt man durch ein von
*) Aus den „Comptes rendus“ vom 23. Juli 1860 durch die Beiträge zur exacten
Forschung ‚auf dem Gebiete der Sanitäts-Polizei v. Dr. L. Pappenh eim. Berlin 1860,
!. Heft, S, 72.
**) Nach den letzten genauen Angaben zählt Venedig 20,650 Häuser mit gegen
120,000 Einwohner. Anmerk. d. Verf.