Full text: Stuttgarter Uni-Kurier (30/33, 1987)

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Stuttgarter Uni-r 
-Jannover-Messe Industrie 1987 
Der Zündfunke für das Sternenfeuer 
institut für Plasmaforschung und die Kermfusion 
:nergie aus der Verschmelzung 
leichter Atomkerne, das ist das 
Ziel der Kernfusionsforschung. 
Aus einem Gramm Brennstoff las- 
zen sich durch Kermnfusion theore- 
isch 50000 Kilowattstunden 
znergie gewinnen, das entspricht 
jer Verbrennungswärme von 
;echs Tonnen Kohle. Die Brenn- 
stoffe sind nahezu unbegrenzt 
rorhanden: Deuterium (schwerer 
Vasserstoff) ist im Verhältnis 
:5000 in normalem Wasser ent- 
‚alten, das radioaktive Tritium 
überschwerer Wasserstoff) kann 
n Reaktor aus dem häufig vor- 
ommenden Element Lithium „er- 
rütet“ werden. Plasmaforscher 
‚er Universität Stuttgart beschäf- 
igen sich mit der Aufheizung von 
jasmen mit Hochfrequenzwel- 
en. Ihre Neuentwicklungen sind 
nternational gefragt. 
Die Energie stammt aus der 
jmordnung der Atomkerne“, er- 
(ärt Dr. Günter A. Müller vom Insti- 
ut für Plasmaforschung der Uni- 
‚ersität Stuttgart. „Zwei leichte 
<erne verschmelzen zu einem fe- 
ster verbundenen, schwereren, 
jabei wird Energie frei“. Atomker- 
16 fusionieren aber nicht freiwillig. 
Sie sind elektrisch positiv geladen 
ınd stoßen sich somit gegenseitig 
ab. Die Kerne müssen mit hoher 
3äeschwindigkeit aufeinanderpral- 
'en, d.h. auf Temperaturen von 
iber 100 Millionen Grad erhitzt 
verden, um die Abstoßungskräfte 
zu überwinden. Bei solchen Tem- 
Jeraturen, sechsmal heißer als das 
nnere der Sonne, werden die Ato- 
ne eines Gases in ihre Bestandtei- 
e zerlegt. Kerne und Elektronen 
jewegen sich unabhängig vonein- 
ander. Man erhält ein Plasma. Das 
Ziel der Kernfusionsforschung ist 
lie Verschmelzung von Deute- 
jum- und Tritiumkernen zu He- 
jumkernen. Diese enthalten zwei 
Jeutronen und zwei Protonen. Das 
iberzählige Neutron (Deuterium 
ınd Tritium besitzen zusammen 
irei Neutronen) transportiert 80 
)rozent der gewonnenen Energie, 
die zur Stromerzeugung genutzt 
nerden soll. 
100 Millionen Grad 
\och ist dieses Ziel technisch 
ıicht erreicht, wenn auch physika- 
isch schon sehr nahe gerückt: Im 
veltweit größten KernfusionsexX- 
jeriment JET (Joint European To- 
us) in Culham, England, konnte 
lie für Fusion nötige Temperatur 
‚on 100 Millionen Grad für etwa 
0 Sekunden aufrechterhalten 
verden. Lediglich die Wärmever- 
uste durch die Reaktorwand sind 
ıoch um den Faktor 3 bis 5 zu 
ıoch, um nach dem Aufheizen des 
Yasmas ein permanentes Fu- 
sionsbrennen zu gewährleisten. 
Seit den Anfängen der Fusionsfor- 
schung in den 50er Jahren wurden 
3istungsfähige Plasmaheizverfah- 
an entwickelt. Zunächst benutzte 
ı1an einen im Plasma fließenden 
;trom, später heizte man auch 
'urch den Einschuß von Neutral- 
zilchen oder mit Hochfrequenz- 
'ellen (HF-Wellen) im Meter- bis 
1illimeterbereich. Besonders in- 
zressant sind dabei leistungsstar- 
e Millimeterwellen, die ihre Ener- 
ie an die Elektronen des Plasmas 
bgeben. „Wegen ihrer kurzen 
/ellenlängen sind sie leicht zu 
ündeln und können punktuell 
ingesetzt werden“, erläutert Dr. 
lanfred Thumm vom Institut für 
lasmaforschung, „man kann mit 
ınen gezielt nur das stark absor- 
jerende Plasmazentrum heizen, 
‚as erleichtert das Erreichen der 
ündbedingungen.“ 
Besondere Verdienste 
‚uf diesem Gebiet erwarben sich 
lie Forscher der Abteilung Plas- 
ı1aheizung des Instituts für Plas- 
1aforschung der Universität Stutt- 
art besondere Verdienste. Unter 
er Leitung von Professor Dr. Roli 
filhelm entwickeln und bauen Dr. 
lanfred Thumm, Dr. Walter Kaspa- 
ak, Dipl. Ing. Heiga Kumrie, Dr. 
iünter A. Müller und Dr. Paul-Ger- 
ard Schüller Teile zur Erzeugung, 
mwandlung, Weiterleitung und 
instrahlung von Millimeterwellen. 
je HF-Wellen werden mit einer 
peziellen _Hochleistungsröhre, 
iyrotron genannt, erzeugt. In ihm 
ird ein Teil der kinetischen Ener- 
je eines Elektronenstrahls in 
IF-Energie umgesetzt. Der derzei- 
3 erreichbare Wirkungsgrad liegt 
2130-40 Prozent. Teile des Gyro- 
ons und die hochstabile Netzver- 
orgung wurden von den Stuttgar- 
ır Forschern entwickelt. Die Welle 
ird über sogenannte überdimen- 
jonierte Hohlleiter, die einen 
‚uurchmesser von mehr als sechs 
entimeter haben, in das Plasma 
ingespeist. Dabei durchläuft sie 
ine Reihe von „Transformatoren“, 
je die Ausgangswelle schrittwei- 
a in eine plasmaangepaßte, linear 
olarisierte Form umwandeln. Die 
[ransformatoren“ sind spezielle 
'ohlleiter mit variabler, computer- 
erechneter Innenwandung. Die 
ınere Struktur wird auf dem Uni- 
igenen CRAY-1-Computer er- 
schnet. Bei der Fertigung werden 
ıodernste CNC-Maschinen ein- 
esetzt. Die gesamte Ubertra- 
ungsleitung wird von den Stutt- 
arter Plasmaforschern gestaltet 
nd hergestellt. Sie erreicht einen 
jesamtwirkungsgrad von 90 Pro- 
ant. 
'jerzeitig wird am Max-Planck-In- 
‚titut für Plasmaphysik (IPP) in Gar- 
‚hing die wesentlich vom Stuttgar- 
ar Institut entwickelte Gesamtan- 
ıge mit einer Million Watt Mikro- 
‚ellenleistung in Betrieb genom- 
‚en und getestet. Zur Überwa- 
N AUıSsıyer BOSCH Montageroboter mıt sensorste. 
;»hung der Wellentransformation 
ıat die Gruppe ein Hochfrequenz- 
pektrometer entwickelt (Patent 
.ngemeldet). Es wird an Firmen 
ınd Forschungsinstitute in der 
lanzen Welt verkauft. 
Fokussierte Strahlung einer Fre- 
juenz von 70000 Millionen Hertz 
‚ei 200000 Watt Leistung entzün- 
let eine daumendicke Buchen- 
1olzplatte in weniger als einer Se- 
unde*“, erklärt Dr. Günter A. Müller. 
Jem Brennfleck entweicht eine 
ıroße Stichflamme.“ 
ja man die Leistung von HF-Wel- 
an nicht ständig mit Holzplatten 
iberprüfen kann, haben die Plas- 
naforscher eigens ein Präzisions- 
<alorimeter entwickelt. Das Patent- 
‚erfahren läuft bereits. 
die verschiedenen Hohlleiterkom- 
jonenten, das Wellenspektrome- 
er und das Präzionskalorimeter 
iind vom 1. - 8. April auf der Hanno- 
'er Messe/Industrie 87 zu besich- 
igen. 
Jürgen Zimmermann 
— | — 
Personalien... 
die Mannschaft der Abteilung Plasmaheıizung und ihr Ausstellungsstück. 
= = 
Berufliche Bildung 
Keine Innovation ohne Qualifika- 
ion. Über diese Formel bestand 
ıuf einer Fachtagung, im Auftrag 
jes Bundesministeriums für Bil- 
lung und Wissenschaft (BMBW) 
‚eranstaltet vom _Fraunhofer- 
nstitut für Arbeitswirtschaft und 
Drganisation (IAO) im Oktobeı 
986 im Wissenschaftszentrum in 
3onn, Einigkeit unter etwa 160 
"eiilnehmern aus Wirtschaft, Ver- 
)jänden, Behörden, Wissenschaft 
ınd Bildunaseinrichtunagen. 
Ar des Bundesinstituts für Berufs- 
»ildung (BIBB), Dr. Hermann 
Schmidt, stellte die Bedeutung von 
‘Aodellversuchen als Instrumente 
‚ür Innovation heraus; die Verbrei- 
‚ung von Versuchsergebnissen sei 
edoch zu verbessern, indem sie 
systematisch in Seminarkonzep- 
en in der beruflichen Bildung 
Jenutzt werden. 
Die Fachtagung diente der Bilan- 
zierung breit gestreuter staatlicher 
wie privatwirtschaftlicher Aktivitä- 
ten im Feld „Neue Technologien 
ınd berufliche Bildung”. Hierzu 
ı1aben insgesamt 10 Referenten 
ler 1AO, des BIBB, von Industrie- 
yetrieben und Bildungseinrichtun- 
jen konkrete Erfahrungen und 
»ositive Lösungsbeispiele aus 
3ereichen Büro, Produktion und 
3ildungspraxis vorgetragen. 
Als unbefriedigend wurde heraus- 
jestellt, daß Qualifizierungsmaß- 
ıahmen häufig zu spät oder zu 
»berflächlich mit dem Einsatz einer 
ı1euen Technik und der Arbeitsor- 
janisation verknüpft werden. Auch 
vurden Zweifel laut, ob die päda- 
Jogische Kompetenz der Ausbil- 
jer, Lehrer und Dozenten den 
ı18euen Anforderungen genüge. 
Gaefordert wurde neben anderem 
die Transparenz des Weiterbil- 
dungsmarkts als Standard. 
der Parlamentarische Staatsse- 
c<retär im BMBW, Anton Pfeiffer 
;tellte demgemäß konkrete Anfor 
lerungen an die berufliche Weiter- 
- ildung; so sollte die spürbare 
rof. Dr. Dietrich Uebing, langjähri- )istanz zwischen betrieblichen 
jes Mitglied der Geschäftsführung ınd schulischen Strategien zur 
les TÜV Rheinland und außerplan- Qualifizierung verringert werden. 
näßiger Professor der Fakultät ’rofessor Hans-Jörg Bullinger 
:nergietechnik der Universität „eiter des IAO und Leiter der Abtei- 
stuttgart, ist mit dem Bundesver- ung Arbeitswissenschaft des 
jenstkreuz am Bande ausge- astituts für Industrielle Fertigung 
eichnet worden. Er erhielt die nd Farikbetrieb, zeigte die Per- 
‚uszeichnung in Anerkennung pektiven einer weiteren Automati- 
einer großen Verdienste um die ;gerung in Produktion und Bürc 
jicherheitstechnik in der Bundes- auf; die berufliche Weiterbildung 
apublik Deutschland. Ihm ist ins- nüsse den Menschen befähigen 
‚esondere zu verdanken, daß <ompetent und verantwortungsvol| 
echnische Großaniagen und der nit über den Einsatz neuer Techni- 
ransport gefährlicher Güter si- x<enzuentscheiden und ihn humar 
:herer gemacht werden konnten. nitzugestalten. Der Generalsekre- 
Hannover-Messe Industrie 1987 
Die Roboter lemen sehen 
nstitut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen 
ınd Fertigungseinrichtungen 
toboter mit optischen Sensoren, 
lie dank eines eigenen entwickel- 
en Programmpakets lemfähig 
ind, stellt das Institut für Steue- 
ungstechnik auf der Hannover 
Aesse/Industrie 87 aus. Das zwei: 
e Exponat demonstriert ein Ro- 
‚oterbaukastensystem. Der Käu- 
'er kann sich die passende Aus- 
ührung selbst zusammenstek- 
‚en. In den Gelenken sitzen Dreh- 
trommaschinen. Sie sorgen für 
beweglichkeit in die verschieden- 
;:ten Raumrichtungen. Komplizier- 
e und teure Getriebe sind bei die- 
ser Bauweise nicht mehr nötig. 
Jas am ISW entwickelte Program- 
niersystem für die Roboterspra- 
»he BAPS (Bewegungs- und Ab- 
auf-Programmier-Sprache) ist als 
Teil der Robotersteuerung für die 
ndirekte Programmierung von In- 
Justrierobotern geeignet. Der Pro- 
zrammierer erhält durch eine Er- 
veiterung von BAPS die Möglich- 
<eit, den Betrieb von komplexen 
Sensoren zu steuern. In gewissen 
Grenzen kann sich der Roboter 
auch selbst programmieren. Er er- 
laßt die Oberflächengeometrie von 
Werkstücken mit mechanischen, 
induktiven oder optischen Senso- 
ren und setzt seine „Erkenntnisse“ 
in Bewegungen um. 
Roboter steuert sich selbst 
Die neueste Entwicklung auf die- 
sem Gebiet ist ein Roboter, deı 
sich über Bildverarbeitungssenso- 
'en selbst steuert. Dazu wurde eir 
>)rogramm erstellt, das die Sensor- 
laten sehr schnell aufarbeiten una 
71 Steuerbefehle für die Motorik 
imsetzen kann. Die Sensorer 
kleine Fernsehkameras) macher 
om Werkstück 50 Bilder pro Se- 
sunde. Diese werden digitalisiert 
l.h. in Bildpunkte zerlegt. Jeder 
3ildbpunkt sind verschiedene 
arauwertstufen zugeordnet. Das 
drogramm vergleicht dann laufend 
lie Grauwertstufen der einzelnen 
3ildpunkte. Aufgrund dieser Daten 
Jibt die Robotersteuerung Befehle 
an die Gelenkantriebe weiter, der 
Zoboter reagiert. 
Industriekooperationen 
Jas ISW arbeitet häufig mit indu- 
triellen Partnern zusammen. Im 
tlahmen gemeinsamer Projekte 
‘der gezielter Aufträge leistet das 
ıstitut grundlegende Entwick: 
ıngsarbeit. Die Pilotanwendung 
rfolgt dann praxisgerecht in den 
abrikhallen. „Interessenten für 
‚nsere Entwicklungen sind ver. 
iıchiedene Automobilhersteller 
lie Maschinenbauindustrie und 
Steuerungshersteller“, erklärt Dipl 
ng. Gerhard Gruhler vom Institut 
ür Steuerungstechnik der Werk- 
'eugmaschinen und Fertigungs- 
änrichtungen (ISW) der Universi 
ät Stuttgart, „die Abteilung Indu: 
:trieroboter und AReaeltechnik 
stellt seit Jahren erfolgreich auf de" 
Hannover Messe aus“ 
Montage und Handhaben 
Der sehende Roboter wurde in en- 
zer Zusammenarbeit mit der Indu- 
strie entwickelt. Er ist in der Monta- 
je und beim Handhaben und Sor- 
jeren von Teilen einsetzbar. Aus 
ziner Vielfalt von verschiedenen, 
jich bewegenden Teilen kann er 
#inzelne erkennen, auswählen, 
‚erfolgen und greifen, um sie an- 
ichließend einzusetzen. „Er kann 
Nerkstücke, die sich undefiniert 
Jewegen, laufend verfolgen. Dabei 
st er zehnmal schneller als die bis- 
1er verfügbaren Produkte“, erläu- 
‚ert Dipl. Ing. Gruhler. 
Jer sehende Roboter wird in Han- 
ı1over vom 1.-8. April auf dem 
Stand der Universität Stuttgart 
arstmals ausgestellt. 
Jas ISW ist außerdem auf dem 
Stand des Kernforschungszen- 
rums Karlsruhe vertreten. Dort 
vird ein Roboter gezeigt, der aus 
3aukastenelementen besteht. Er 
<ann so auf einfache Weise an ver- 
ichiedene Aufgaben angepaßt 
verden. Der Käufer erhält eine 
naßgeschneiderte Ausführung. 
Durch die Modulbauweise kann 
auf mechanische oder hydrauli- 
sche UÜbertragungsglieder ver- 
zichtet werden. Der Roboter wird 
jadurch vibrationsärmer, leichter 
ınd billiger. Jürgen Zimmermanr
	        
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