Full text: Württembergische Kirchengeschichte bis zum Ende der Stauferzeit

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Aufkommen der Reform 
stritt sich der übermächtige Drang, den Stoff zu beseelen, ihn geistig zu 
durchdringen, mit dem Einfluß der Antike, die eine naturhafte Gestal— 
tung forderte. Eben in dem Kirchlein zu Burgfelden ist ein Zyklus 
von Bildern erhalten): an der Ostwand das Jüngste Gericht oder viel— 
mehr die Auferweckung der Toten und die Scheidung der Seelen, an 
der Südwand eine Kampfszene im Walde, sowie das Gleichnis vom 
reichen Mann und vom armen Lazarus, gegenüber der barmherzige 
Samariter und sitzende Propheten. Das Weltgericht ist voll stärkster 
Erregtheit und Bewegung: in der Mitte der in Erhabenheit thronende 
Weltenrichter, vor ihm, genau in der Mittelachse, das Kreuz, von zwei 
Engeln gehalten; unten erwecken die Engel durch das Blasen ihrer 
Tuben die Gestorbenen aus den Gräbern, oben schreiten rechts in ge— 
schlossenen Reihen die Geretteten zum seligen Leben, während links 
der Erzengel Michgel mit langer Lanze einen Verdammten abwehrt, 
der vom Teufel zur Hölle geschleppt wird. Alles ist warm und lebens— 
voll von einem echten Meister gestaltet. Seine künstlerische Heimat— 
stätte war wohl Reichenau, wo in der Westapsis der St. Georgskirche 
von Oberzell ebenfalls das Jüngste Gericht, aber mit viel größerer 
Ruhe und Feierlichkeit gebildet ist'). Die Bilder mögen nach dem Neu— 
bau des Kirchleins von dem Grafenhause der Zollern gestiftet worden 
sein; vielleicht war die Kirche damals die Grablege des Geschlechts. 
Auch in der einstigen Pfarrkirche von Balingen rechts der Eyach, 
heute im Friedhof der Stadt gelegen, haben sich Bruchstücke einer 
Deckenmalerei gefunden'), welche Fußwaschung, Gefangennahme und 
Himmelfahrt Christi dargestellt hat; sie befinden sich seit 1913 in der 
Stuttgarter Altertümersammlung. Die Bewegungen der menschlichen 
Körper sind eindringlich und klar, der Sinn für das organische Leben 
des Körpers tritt noch mehr als in Burgfelden zurück. Auch für diese 
Malerei ist der Zusammenhang mit der Reichenauer Malerschule nicht 
zu verkennen. 
t) Paul Weber, Die Wandgemälde in Burgfelden auf der schwäbischen Alb, 18986. 
Georg Dehio, Geschichte der Deutschen Kunst. Des Tertes erster Band. Dritte Auflage, 
1923, S. 146, Abbildung. Zweiter Band S. 207. Julius Baum, Zur Chronologie der mit— 
telromanischen Wandmalerei in Schwaben: Württembergische Vergangenheit. Festschrift 
des Württ. Geschichts- und Altertumsvereins, 1932, S. 163 ff. 
2) J. Sauer, Die Monumentalmalerei der Reichenau: Die Kultur der Abtei Reichenau, 
Zweiter Halbband, 1925, S. 930. 
3) Hans Christ, Romanische Deckenmalereien aus der Friedhofkapelle in Balingen: 
Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der K. Altertümersammlung in Stutt— 
gart, 1912, S. 85 ff. Albert Pfeffer, Die frühromanische Holzdecke von Balingen: Archiv 
für Christliche Kunst 31 (1913), S. Uff. Julius Baum am angeg. Ort.
	        
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