VII. Die Hirsauer Klosterbewegung
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Als sicherster Erweis des Willens, Gott auf Erden zu dienen, galt
der Eintritt ins Kloster, beim Hochadel wenigstens die Stiftung eines
solchen, wie denn das Mönchstum überhaupt in dieser Zeit die größte
Bewunderung und Verehrung genoß und die Stellung der Mönche
sich mehr und mehr gehoben hatte; sie schienen der kampferfüllten, vom
rücksichtslosen Eigennutz beherrschten Zeit das Wunschbild christlichen
Lebens am reinsten darzustellen, das Höchste an religiöser Kraft zu
erreichen. Im heutigen Württemberg wurde der Einfluß Wilhelms
von Hirsau und seiner Mönche bald nach Beginn des Investiturstreits
überwältigend; beinahe alle Klostergründungen in Süddeutschland seit
dem vorletzten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts gehen auf ihre An—
regung zurück. Immerhin gab es eine Zeit des UÜbergangs, bis Hirsau
die ausschließliche Geltung gewann; auch vornehme Familien, die auf
seiten Heinrichs IV. standen und keineswegs der neuen Richtung hul—
digten, haben anfänglich noch Klöster gegründet.
In diese Frühzeit des Investiturkampfes fällt die Stiftung von
Comburg am Kocher (südlich von Schwäbisch Hall). Allerdings er—
scheint die Überlieferung über diese getrübt: die ältesten Urkunden
sind überarbeitet'), eine Gründungsgeschichte aus der zweiten Hälfte
des 13. oder dem Anfang des 14. Jahrhunderts zeigt stark anekdoten—
hafte und legendarische Züge, enthält aber doch etliche wertvolle Nach—
richten“). Es läßt sich immerhin ein der Wirklichkeit nahekommendes
Bild der Vorgänge gewinnen. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts oder
etwas später waren von einem vornehmen Geschlechte Ostfrankens die
Burgen Rothenburg ob der Tauber und Comburg im Kochergau er—
baut worden. Die Comburg lag auf einem über dem Kocher aufragen—
den Bergkegel, der auf der andern Seite durch eine in grauer Vorzeit
derlassene Flußschleife abgeschlossen war; der Hügel bildete ein von
Osten nach Westen gerichtetes Eirund und war nur auf der dem Kocher
abgekehrten Ostseite über einen Sattel des Geländes zugänglich. Ein
1) Die Urkunde des Erzbischosfs Ruthard von Mainz 1090, Wirt. Urk. B. J S. 2883 Nr. 9
wurde nach dessen Ableben im Mai 1109 verfälscht: Adolf Mettler, Forschungen
zu einigen Quellen der Hirsauer Bewegung, Württ. Vjsh. XL, 1934, S. 161ff. Das Com—
burger Schenkungsbuch Nr. 1522, Wirt. Urk.B. J, Anhang S. 388 ff. wohl eine Vorarbeit
für eine Gründungs- und Traditionsgeschichte, hat die ursprünglichen Urkunden und
Notizen mannigfach, zumal auch in der Zeitfolge und den Daten, geändert.
ꝰ2) Historia de constructoribus monasterii Kamberg, abgedruckt von Gustav Bossert,
Zur älteren Geschichte des Klosters Komburg: Württembergisch Franken, Neue Folge III,
1888, S. 9212. Holder-Egger, M. G. h. S8. XV p. 1028 n. 4 setzt sie bald nach der Mitte des
12., Bossert in die ersten Jahrzehnte des 14. FJahrhunderts.