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Die Hirsauer Klosterbewegung
lassen hatte, übergab er es mit der Verpflichtung zu einem Zinse dem
heiligen Petrus, damit es fortan hauptsächlich dem Apostolischen Stuhle
unterworfen sei und unter dessen Schutze wie andere freie Klöster ewig
in seinen Rechten blühe.“ Unter Kapelle wurde die zur Feier der Messe
nötige Ausrüstung verstanden. In einem Kästchen von kunstvoller
Arbeit, einem wunderfein ziselierten Sarkophag, erhielt Weingarten
damals das Heilige Blut, sowie Reliquien des heiligen Oswald und
anderer Heiliger!). Welf IV. verzichtete gleichzeitig auf sein Eigentums—
recht am Kloster, das fortan seinen Abt frei wählen durfte. Papst
Urban II. nahm die Abtei am 30. April 1098 in seinen Schutz'). Es
kann kein Zweifel sein, daß damals auch die Hirsauer Klosterbräuche in
Weingarten eingeführt wurden. Zum Abte wählte man den Hirsauer
Mönch Walecho'), der im folgenden Jahre bei der Bestattung des
Abts Nogger von Zwiefalten und auch bei der Abtswahl daselbst
tätig war').
Graf Hartmann von Dillingen, der erbitterte Gegner Heinrichs IV.,
und seine Gemahlin Adelheid, die reiche Erbtochter des Grafen Adal—⸗
bert von Kiburg, stifteten im Jahre 1095 im Härtsfeld das Kloster
Neresheim auf einer Anhöhe etwa achtzig Meter über dem Dorfe,
das an dem flachen Tal der Egau gelegen ist'). Geweiht wurde es den
Augsburger Heiligen Udalrich und Afra; Udalrich war ja ein Glied
des Dillinger Geschlechts gewesen. Die Stifter übertrugen das Kloster
dem Apostolischen Stuhl; es hatte jährlich eine Goldmünze an den
Lateranpalast zu liefern; Vögte sollten Hartmann und seine Söhne
sein, solange sie sich dem Kloster nützlich erwiesen, andernfalls dürften
die Brüder wählen, wen sie wollten. Urban II. der 1099 starb, hat die
UÜbergabe noch angenommen. Nach der Überlieferung des Klosters
Petershausen bei Konstanz trat Neresheim in enge Beziehungen zu
diesem, welches auch Mönche schickte'); Abt von Petershausen war da—
mals Theoderich oder Dietrich, ein Sohn des 1092 verstorbenen Grafen
Kuno von Achalm aus unebenbürtiger Ehe und Bruder zweier Dienst—
1) M. G. h. Ss. XV 2 p. 23. Ferner M. G.h. Necrologia J. Necrologium Woeingartense
p. 224 zum 10. März: Judita dux, regina Aneglie, hie sepulta, dedit preciosissimum the—
zaurum ęeclesie, Sanguinem Domini. cum reliquiis sanctorum, palliis et plenariis.
2) Wirt. Urk.B. 1l S. 310 Nr. 251. Unecht die Urk. ebenda S. 200 Nr. 240, angebl. v. 1090
8) Cod. Hirs. sol. 176: Welicho abbas ad Altdortt.
) Ortliebi chronicon c. 16, Württ. Geschichtsquellen 111 S. 38.
6) Annales Neresheimenses, Württ. Geschichtsquellen I1 S. 16, zu 10906: Nornisheim
tundatum est. Val. P. Paulus Weißenberger, Baugeschichte der Abtei Neresheim (Dar—
stellungen aus der württ. Gesch. hrsg. v. d. Württ. Komm. f. Losg. XXIV), 1934, S. 3ff.
6) Wirt. Urk.B. J S. 304 Nr. 246: In agro siquidem Hertfeld iuris sul praedium quod
Nöresheim dicitur, ubi b. Udalriei et Aftrae ecclesia fabricata est, pro salute ansmae
suae b. Petro apostolorum principt in alodium proprium cum omnibus ad eundem
loceum pertinentibus obtulerunt.
7) Casus monasteérii Petrishusenis. M. Gh. Ss. XX p. 621083., entstanden 1156- 1164
Von dem, was die Casus berichten, erweist sich einzelnes als zweiselhaft; ihr Bericht
stimmt nicht mit der Urkunde Wirt. Urk.B. 1S. 304 Nr. 216. überein. Auch die Ann. Neres—
neimenses haben nur wenige zuverlässige Notizen über die ersten Jahrzehnte des Klosters