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Die Hirsauer Klosterbewegung
Gewalt zu verhelfen. Die Mönche, welche die neue Urkunde ausdach—
ten, wollten nur das, was nach ihrer Auffassung rechtens war, sicher⸗
stellen, keineswegs durch Fälschung ihrem Kloster etwas unrechtmäßi—
gerweise zueignen. Man wollte alles hineinarbeiten, was sich in den
gregorianischen Klöstern während der letzten Jahrzehnte als Überzeu—
gung von ihrem Recht gebildet hatte. Nach der neuen Fassung der Ur—
kunde sollten die Brüder die Vollmacht haben, den Abt nicht nur zu
wählen, sondern auch einzusetzen). Ein Abt, der des Klosters Nutzen
eigensüchtig zuwiderhandelt, soll entfernt und ein anderer an seiner
Statt erkoren werden. Der Vogt wird den Nachfahren des Stifters
entnommen; falls er aber den Schutz des Klosters nach seinem irdischen
Vorteil und nicht nach dem himmlischen ausübt, so soll der Abt mit
dem Rat der Brüder an seiner Stelle einen andern wählen, der sich
eignet. Dieser bekommt auf Bitte des Abts vom König den Bann und
hält dreimal im Jahr Gericht; dafür werden ihm die Reichnisse ge—
geben wie den Vögten der andern freien Klöster. Wer ein Gut der
Abtei entwendet, hat es zurückzuerstatten und drei Pfund Gold an den
Schatz des Königs zu bezahlen, wer das Kloster angreift, Ersatz zu
leisten und der königlichen Kammer 100 Pfund Gold zu entrichten.
Dem Kloster stehen die Rechte einer freien Abtei zu gegen die jähr—
liche Abgabe eines Byzantiers an den Altar des heiligen Petrus in
Rom. Wer den Bestimmungen der Urkunde zuwiderhandelt, gegen
den wird ein gräßlicher Fluch geschleudert. Wir gewinnen aus den be—
nützten Ausdrücken einen Einblick in die haßvolle Gesinnung, welche
in den vergangenen Kampfzeiten die strengen Kreise erfüllt hatte: der
übertreter wird ganz und gar dem Satan übergeben und verflucht,
sein Andenken von der Erde vertilgt, sein Name aus dem Buch des
Lebens gestrichen; mit Dathan und Abyron, welche die Erde ver—⸗
schlungen, soll er in die ewige Verdammnis rennen, als Genosse eines
Herodes, Pilatus und Judas ewiger Pein verfallen, wie auf die Be—⸗
wohner von Sodom und Gomorra soll Feuer und Schwefel auf ihn
regnen, er soll die Schläge des Heliodor erleiden, wie Antiochus von
den Würmern gefressen werden und lebendig verfaulen, und des Him—
melreichs Erzschlüsselwart Petrus soll ihm mit dem heiligen Aurelius
und der ganzen himmlischen Heerschar auf ewig die Pforte des Para—
dieses verschließen.
Wer die Urkunde ausgedacht und verfaßt hat, wissen wir nicht; der
neue Abt, ein ruhiger Herr von beschaulichem Wesen, überließ die
Last der weltlichen Geschäfte gern anderen; was im Kloster anzuord⸗
nen war, wurde unter ihm durch die Tätigkeit der ihm Untergebenen
) fratres coenobii ipstus . .. ipsi habeant liberam potestatem ... abbatem sibi non
modo eligendi sed etiam constituendi.