Städtische Pfarreien
325
eine ganz neue Stätte gewählt wurde, sparte man bei der Anlage
wohl gleich einen Platz für die künftige Stadtkirche aus, meistens am
Marktplatz. Schon 1247 gelobten die Bürger von Reutlingen, der
Maria eine Kirche zu bauen; auch die Stadtkirche zum Heiligen
Kreuz in Rottweil fällt in verhältnismäßig frühe Zeit, da sie noch im
Ubergangsstil von der Romanik zur Gotik begonnen ist. Den Pfarrsatz
der neuen Stadtkirchen hatten die Stadtherren, in den Reichsstädten
der König. Manche Städte blieben noch lange in ein Dorf eingepfarrt,
so Horb in das südwestlich gelegene Ihlingen am Neckar. Manchmal
änderte eine neue Stadtanlage mit ihren Erweiterungen im Lauf der
Zeit auch den alten Pfarrsprengel. Die im letzten Drittel des 12. Jahr⸗
hunderts erbaute Stadt Hall mit ihrer Michaelskirche fiel noch lange
in den Bezirk der Pfarrei Steinbach; der während des 13. Jahrhun—⸗
derts jenseits des Kochers entstandene Stadtteil, die Katharinenvor—
stadt, gehörte anfänglich zur Pfarrei Westheim. Das Patronat der
St. Katharinenkirche, die sich während der zweiten Hälfte des 13. Jahr⸗
hunderts erhob, stand mit der Pfarrei Westheim dem Kloster Murr—
hardt zu. Es waren manche Bemühungen nötig, um ein kirchliches
Zusammenarbeiten aller Stadtbewohner zu erreichen.
Eine Minderung erlitt die seelsorgerliche Tätigkeit der Pfarrgeist—
lichen besonders in den Städten durch die Bettelorden, dessen Mit—⸗
gliedern päpstliche Privilegien das Predigen und Messelesen, das
Beichthören und das Begraben gestatteten, ohne daß sie die Zustim—
mung der ordentlichen Geistlichkeit hätten einholen müssen. Es war
damit ein von den Ortspfarrern, den Dekanen, Archidiakonen und
Bischöfen unabhängiger Seelsorgeklerus geschaffen; bei aller Anerken—
nung seines eifrigen Wirkens konnten Reibungen und Spannungen,
überhaupt ein Widerstand gegen seine Vorrechte kaum ausbleiben.
Nachdem das Minoritenkloster zu Hall gegründet war, mußte Bischof
Hermann von Würzburg die Weltgeistlichen auffordern, daß sie gänz—
lich davon abstünden, die Mönche am Predigen und Beichthören zu
hindern, überhaupt die besonders geliebten Söhne der Kirche zu be—
schweren)).
Von der kirchlichen Frömmigkeit des Volks in dieser Zeit
wissen wir freilich nicht allzu viel. Die religiöse Empfänglichkeit und
Erhebung, wie sie die Reformzeit eingeleitet hatte, dauerte noch lange
fort. Auch die Laien verlangten nach der reicheren Gottesliebe des
Mönchstums, auch sie erstrebten die christliche Vollkommenheit, wie sie
dem Wunschbild dieser Jahrhunderte entsprach. Jedenfalls die Ver⸗
ehrung der Jungfrau Maria wuchs damals sehr; viel trugen dazu
die Klöster bei, vor allem die der Cisterzienser, Franziskaner und Do⸗
iJ Wirt. Urt. B. III S. 378 Nr. 880. Die Urkunde fällt wohl einige Jahre nach 1236.