Full text: Die Kunst- und Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg. Inventar. Schwarzwaldkreis (1897)

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Schwarzwaldkreis. Oberamt Calw. 
rechteckiger Abtreppung. Zwei davon sind an der Nvrdseite noch erhalten und in 
ihrer Strenge von mächtiger Wirkung. Ganz erhalten ist der nördliche Turm; in 
sechs Geschossen steigt er auf, an den drei unteren belebt durch Blendnischen; die drei 
obersten Stockwerke werden durchbrochen von je acht luftigen, in der Mitte gesausten 
Rundbogendoppelfenstern. Gliederungen und Verhältnisse sind ungemein zart, zeugen 
von einem nicht gewöhnlichen Verständnis. Der Turm gehört, trotz seiner Einfachheit, 
zu den allerschönsten unseres Landes. 
Eine der wichtigsten weiteren Arbeiten Abt Wilhelms war dann der Bau von 
Beuediktinerkloster und Kirche Zwiefalten, 1089—1109, wo Wilhelm selbst als 
geschickter Maßkünstler die Plätze zu den künftigen Gebäuden abstach und den Bau 
anordnete. Wie es heißt in der fast gleichzeitigen Zwiefaltcr Chronik (1138) des 
Mönches Berthold: Williehmis propriis manibus, quia in tali negotio peritissimus 
erat, cepit monastrium metiri et caeteras offlcinas pulcbre et prudenter dis- 
ponere. Ähnliches wird von Abt Wilhelm berichtet durch Trithemius bei der Gründung 
des Klosters Sankt Georgen im Schwarzwald: locum personaliter accessit, for- 
mam ac modum construendi monasterii praescripsit ac de suis inonachis aliquos 
in adjutores deputavit. Bekanntlich wurde aber in der ersten Hälfte des vorigen 
Jahrhunderts die Zwiefalter Basilika Abt Wilhelms durch einen großartigen Neubau 
ersetzt. Zum Glücke gelangte der Verfasser in Besitz der Grundrisse (des unteren und 
oberen) der alten Klosterkirche, die vor dem Abbruch derselben aufgenommen 
wurden; mit Hilfe ihrer lassen sich die Umrisse der alten Kirche und die bis jetzt 
ziemlich dunkel wirkenden Beschreibungen von derselben richtig stellen. Die Anlage, 
entschieden den kühnen Geist Wilhelms atmend, ist wieder großartig-streng, aber stark 
abweichend vom Hirsauer Bau. Da nämlich das Kloster Zwiefalten ursprünglich 
ein Mönchs- und ein Frauenkloster unter einem Dach vereinigte, so tvurde die Kirche 
angelegt als eine Doppelkirche. Und zwar stand die größere, die Mönchskirche 
gegen Abend, die Nonncnkirche gegen Morgen. Die Mönchskirchc, das eigentliche 
Münster, war wieder eine dreischiffige Säuleubasilika mit Querschiff und geradem 
dreischiffigem Chor, im Westen eine Borhalle in der Breite des Mittelschiffes. Die 
Nouneukirche lag im zweiten Stockwerk, in der Verlängerung und in der Breite des 
Mittelschiffes. Zu beiden Seiten liefen die Nebenchöre bis an zwei mächtige Ost 
türme. Die ganze äußere Länge betrug gegen 300 Fuß. — Eine sichere Gründung 
und höchst selbständige und wirksame Schöpfung Abt Wilhelms, 1082—1085, ist 
feiner die des Klosters Reichen dach im Murgthal im Schwarzwald; eine weite 
einschiffige Basilika mit halbrunder Mittel-Apside und zwei schlanken Osttürmen, 
zwischen denen sich ein halbrundes Tonnengewölbe spannt, und in welche sich gegen 
Osten kleine halbrunde Apsiden einkcrfen; ein kühner Gedanke, nur ein Schiff, mit 
hohen Oberlichtern und der reichen Entwicklung nach Osten. Die Kirche ist außen 
wieder viermal so lang als breit. Näheres s. unten im Oberamt Freudenstadt. Eine 
ganz ähnliche Anlage zeigt die Kirche in Altstadt-Nvttweil, mit vortrefflichem 
Mauerwerk im Hauptschiff. Dann geht, im Entwurf wenigstens, auf Abt Wilhelm 
zurück die Kirche zu Neckarthailsingen, um 1090. Eine dreischiffige Säulen- 
basilika mit tonnengewölbter Vorhalle zwischen zwei Westtürmen, die drei Schisse 
schließen außen rechteckig, innen halbrund. Immer wieder das Wirken mit Einspannen
	        

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