Full text: Jahres-Bericht der Königlichen Polytechnischen Schule Stuttgart (1868/69)

14 
Herrliches, markiges und elegantes Ornament von einer sprudelnden Phantasie bedeckte 
die Flächen der Piedestale, Gesimstheile, die Figurenschilder. Die Brustbilder gehören zu den 
schönsten und besten jener Zeit. 
An Eleganz im Detail steht gewiss dieser Bau keinem deutschen Bauwerk jener Zeit 
nach, und fassen wir das Ganze ins Auge, wer wollte verkennen, dass sich inr Aeussern wie im 
Innern so recht lebendig der heitere Charakter eines Festbaues, eines Lusthauses in vollstem 
Sinne des Wortes ausspricht? 
Ein Hauptvorzug eines jeden Baues ist, dass er sein Inneres im Aeussern klar aus 
spreche, dass er sich von Ferne schon als das kennzeichne, was er sein soll. Und darin bleibt 
das Lusthaus eines der schönsten Vorbilder. 
Uns Baumeistern der Neuzeit macht man so gerne zum Vorwurf, dass den Bauten der 
ihnen zukommende Charakter abgehe. Aber bedenken Sie, wir haben aus alter Zeit in Stutt 
gart ein Baugesetz, das schon Herzog Eberhard im Bart 1495 erliess, das Herzog Christoph 
1560 zum Landesgesetz erhob, das heute noch existirt. Vortrefflich war es zu jener Zeit, für 
uns passt es nicht mehr. Wir müssen uns seihst fragen, warum wir in Stuttgart so wenig in 
Stein bauen, während wir doch von den herrlichsten Steinhrüchen umgehen sind? Im Jahr 1821 
noch gab es in Stuttgart nur 3 Privatgehäude, die nicht von Holz waren. Die Erklärung 
finden wir mit in dem Fortbestand jenes uralten Baugesetzes, und es ist doppelt erfreulich, 
dass trotz der für die selbständige Entwicklung der Architektur hemmenden Freiheit in Bezug 
auf den Holzbau, welche jenes Gesetz bietet, durch den gesunden Sinn des Publikums und 
der Behörden eine Vorliebe für den Massivbau zu erwachen beginnt, welche der Architektur 
bereits den Kaum zu reicherer Entfaltung gewährt. 
Dieser schöne Bau, das Lusthaus, ist zerfallen. Zwar Baudirektor Retti machte im 
Jahre 1752 dem Herzog Karl den Vorschlag, und arbeitete einen Plan dahin aus, dass das Lust 
haus erhalten bleibe, ein Opernhaus an die Stelle des Cafe Marquardt komme. Beide Bauten 
sollten unter sich und mit dem von Carl Eugen im Jahre 1746 erbauten neuen K. Schlosse 
durch Arcaden verbunden werden. Ein Vorschlag, der nach heutigen Begriffen nicht un 
schön wäre. Aber es scheiterte dieser Plan wahrscheinlich an den Kosten und der Baumeister 
de la Guipiere richtete im Jahre 1758 das Lusthaus zu einem Opernhause ein. Der Baumeister 
Thouret endlich schuf es im Jahre 1811 zum Schauspielhaus um. Er brach den nördlichen 
Giebel ah. 
Erst im Jahr 1845—1846 sollte der ganze Bau dem jetzigen Theatergebäude zum Opfer 
fallen, das in der Hauptsache auf den Grundmauern des Lusthauses ruht und nur noch die 
alte Wetterhexe zur Erinnerung über sich schwebend zeigt. C
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.