19
B. Aus einer Bede des Hofpredigers Osiander vom Jahre 1586.
Es mag nicht uninteressant sein, über die hier dargestellten Kostüme jener Zeit die
Auslassung eines berühmten gleichzeitigen Kanzelredners zu vernehmen. In einer gedruckten
Predigt des Hofpredigers Osiander lesen wir folgenden Passus:
Der witzige und unerschrockene Hofprediger Lucas Osiander hielt 1586 eine Predigt
über die hoffärtige ungestalte Kleidung der Weibs- und Mannspersonen.
Alles sagt er, was aus Frankreich nach Deutschland komme, werde nachgeahmt; und
nehmen die welschen Krämer von uns gutes Geld und gehen uns sammetne und seidene Lumpen
dafür. Die Frauen tragen Sammethütchen so klein, dass sie wie ein Apfel auf dem Kopfe
sitzen. Ihre über Drähte gezogenen Haare gleichen einem Hag, und Etliche färben ihre Ge
sichter. Sie tragen dicke Kröse (Halskraussen), dass der Kopf aussieht, als liege er auf einer
Schüssel; Reife an den Kleidern, dass diese heim Niedersitzen in die Höhe stehen, und hohe
Schuhe und Pantoffeln, um grösser zu scheinen.
Die Männer haben vorn aufsteigende, zottige Haare, als ob sie der Satan rückwärts
durch einen Zaum gezogen hätte. Sie tragen Hüte mit vergoldeten und versilberten Spangen,
von einem sammetenen Frauengürtel umschlungen, damit anzuzeigen, dass sie die Weiber über
sich herrschen lassen; dicke Krösen, und goldene Ketten um den Hals, Aermel so lang und
weit, wie die Commisssäcke der Landsknechte und Wurstsammler, dazu die langen ausgefüllten
Gänsbäuche, die unter dem Hals anfangen und weit unter den Gürtel herabhängen, wie wenn
ein Erker an dem Haus hängt und es umziehen möchte.
Sammet und Seide genügt nicht mehr. Die Kleider werden auch noch mit goldenen
und silbernen Borten besetzt. Die Mäntel reichen nur noch bis zum Gürtel und werden mit
Hintansetzung aller Ehrbarkeit selbst von Hofleuten auf die linke Schulter gehängt. Ueber-
haupt, sobald wir etwas Neues vom Ausland sehen, sind wir „die Affen“; dieses ist eine grosse
Leichtfertigkeit, die uns Deutsche bei anderen Völkern sehr verkleinert.