eignis beschreiben, ist bereits eine Intuition und damit eine Expression. Eine Intuition liegt etwa vor, wenn wir »dieses Glas Wasser« sagen, während die Aussage »das Wasser« ein allgemeiner Begriff ist 24 . Croce eliminiert also die Begriffüchkeit des Sinnes einer Aussage, sobald diese sich auf ein individuelles Phänomen bezieht und nicht auf einen Begriff (unter den individuelle Phäno mene fallen). Von diesem Ausgangspunkt (dessen Problematik an sich hier nicht zur Rede steht) ist es begreiflich, daß Croce alle Aussagen der Dichtung als Intuitionen oder Expressionen bezeichnen muß. Denn Dichtung beschreibt nicht allgemeine Begriffe, d. h. sie ist nicht theoretische Erkenntnis, sondern sie beschreibt stets nur einmalige individuelle Phänomene. Auch »philosophi sche Maximen, die den Personen einer Tragödie oder Komödie in den Mund gelegt werden, haben dort nicht mehr das Amt von Begriffen, sondern von Charakteristiken dieser Personen: genau so wie das Rot auf einer bemalten Figur nicht mehr als Begriff der roten Farbe im Sinne der Physiker,auftritt, sondern als Charakterisierungselement jener Figur ... Ein Kunstwerk kann voll von philosophischen Begriffen sein . .. Aber trotzdem ist das Resultat des Kunstwerkes eine Intuition« 25 , d. h. also keine theoretische Erkenntnis. So unbestreitbar dies zum mindesten für das hier gewählte und von Croce bezeichnender-, aber auch etwas verdächtigerweise überhaupt bevorzugte Beispiel der dramatischen Dichtung ist, so ist doch die Anwendbarkeit der Expressionsästhetik dadurch vermindert, daß der Anwendungsbereich der intuitiv-expressiven Erkenntnisform zu weit ist. Denn wenn alle Aussagen, die Einzelphänomene meinen und darum auch selbst die >Geschichte<, im Sinne von Geschichtswissenschaft, als Intuition bezeichnet und unter den all gemeinen Begriff der Ästhetik geordnet werden, so gibt es keine spezifische Kunst-, d. h. hier Dichtungswissenschaft mehr und entfällt jede Möglichkeit, den dichterischen >Ausdruck< von äußer-dichterischem zu unterscheiden. Ist die Aussage »dieses Glas Wasser«, die ich etwa in einem Wirklichkeitszusam menhang ausspreche, eine >Intuition< so gut wie dieselbe Aussage in einem Dichtungszusammenhang, so ist die Struktur der Dichtung nicht mehr er kennbar. Und kann umgekehrt, so ist wenigstens zu fragen, der >theoretische< Sinn eines noch so sehr durch den Kontext als intuitiv ausgewiesenen Begriffes aus ihm eliminiert werden? Rickert rührt einmal an dies Problem, wenn er (ohne Bezugnahme auf Croce) in der Einleitung seines Buches über Goethes Faust die Frage aufwirft, ob »bei Kunstwerken, die aus Worten und Sätzen bestehen, der künstlerisch verstehbare Sinn, den sie als Dichtungen haben, * 26 24 B. Croce, Ästhetik als Wissenschaft vom Ausdruck, Tübingen 1930, S. 24 26 Ebd., S. 4