30 etwa I. M. Bochenski verwendet in seinem Buche »Formale Logik« ausschließ lich den Terminus Aussage, und zwar im Anschluß an den »Wortschatz der zeitgenössischen formalen Logik« 37 . Mit Hinsicht auf die folgenden Darlegungen möchte ich jedoch der älteren Tradition folgen und den Terminus Urteil als der Logik zugehörigen verwen den, den Begriff Aussage als sprachtheoretischen und, wie ich gleich hinzu fügen will, den dritten vorkommenden Begriff, den des Satzes, als grammati schen reservieren. Meine Gründe dafür sind solche der Eindeutigkeit, wie sie sich aus dem deutschen Sprachgebrauch, d. h. dem Sinn, ergibt, der in diesen Begriffen bestimmend ist. Denn wenn auch das Wort Urteil (iudicium) der juristischen Sprache entstammt und erst auf dem Wege der Wahr- und Falsch- Beurteilung einer Aussage auch zu einem Terminus der Logik wurde, so ist er als solcher dennoch eindeutiger und genauer als der der Aussage für das selbe Phänomen. Sagen wir prädikatives (oder hypothethisches, apodiktisches usw.) Urteil, so klingt keine der anderen, außerlogischen Bedeutungen des Wor tes Urteil an; der Bereich der Logik bleibt geschlossen. Es verhält sich anders mit dem Terminus Aussage. Er greift über in die Grammatik, die den Behaup tungssatz auch als Aussagesatz bezeichnet. Und er bewahrt auch als Begriff der Logik einen gewissen Akzent der Bedeutungsunsicherheit; ausdrücklich muß Bochenski betonen, daß er »unter Aussage einen >Ausdruck< (ein materiell aufgefaßtes Zeichen)« verstehe »und nicht das, was dieses Zeichen meint« 38 . In der Tat spielt in den Begriff Aussage weit mehr und störender die Be deutungsnuance des Aussagens und des Ausgesagten hinein als in den des Urteils die des Urteilens und des Beurteilten. Dies kommt unwillkürlich bereits in den Definitionen des prädikativen Urteils zum Ausdruck. »Die Reden sind entweder eine einfache Aussage, wenn sie etwas von etwas aussagen, oder ... wenn sie etwas von etwas verneinen .. .« — übersetzt Kirchmann den Satz des Aristoteles . . . tovtcov öe r) /iev änAfj eaiv änocpdvaig, olov t'l xarä xivog rj ri omo rlvog . . . und es ist deutlich, daß der Übersetzer, der die Hermeneia die »Lehre vom Urteil« nennt, hier nicht das Wort >urteilen< einsetzen könnte 39 . In diesem Ausdruck werden nur »die Reden« zu aussagenden aktiviert. Auf fällig und symptomatisch aber ist es, wenn einst Chr. Sigwart schrieb: »Das, was vorgeht, indem ich ein Urteil bilde und ausspreche, kann zunächst äußer lich so bezeichnet werden, daß ich etwas von etwas aussage.« 40 Diese »psycho 37 J. M. Bochenski, Formale Logik, Freiburg 1956, S. 24 38 Ebd. 39 Aristoteles’ Flermeneutica, übers, von J. H. v. Kirchmann, Leipzig 1876, S. 59 40 Ch. Sigwart, Logik, I, 4. Aufl., Tübingen 1921, S. 31