32 bloß sprachliche Formulierung des Urteils verstanden wissen, womit er im plizite auch die terminologische Gleichsetzung von Urteil und Aussage ablehnt. Denn er definiert das Urteil nicht als formale Zweigliedrigkeit, sondern als einen zuerkennenden Akt, der auf ein urteilendes Bewußtsein be zogen ist. Aber ein Satz wie »der Vogel singt« ist als sprachliche Formulierung kein Urteil, weil ein urteilendes Bewußtsein darin nicht mehr mitwirkt, sondern nur eben ein Behauptungssatz, »der nur solange ein Urteil Vortäuschen kann, als man eben (Behauptungs-)Satz und Urteil gleichsetzt« 44 . Und Ammann stellt fest: »Das Verhältnis des grammatischen Subjekts zum grammatischen Prädi kat hat also hier nichts mit dem Verhältnis von Subjekt und Prädikat eines Urteils zu tun, weil hier keine Urteile vorliegen, sondern einfache sprachliche Einkleidungen Vorgefundener Tatbestände.« 45 Wie aber auch die Auffassungen und Definitionen von Urteil und Satz differieren, in wie hohem Maße auch die Terminologie — so die Gleichstellung bzw. der alternierende Gebrauch von Urteil und Aussage, Behauptungs- und Aussagesatz — die Phänomene zu verwischen geeignet ist: zwei Sachverhalte lassen sich dennoch feststellen, die von diesen Divergenzen unberührt sind und eben deshalb den Weg zu weiteren, bisher, so weit ich sehe, noch nicht ins Auge gefaßten Verhältnissen und Problemen weisen. Der erste dieser Sachverhalte ist weniger relevant. Er betrifft das schon berührte Verhältnis von Urteilslogik und Grammatik, und zwar die einfache Tatsache, daß, wenn überhaupt, diese sich nur für einen logisch-grammatischen Moment begegnen: im Behauptungs- oder Aussagesatz. Von ihm aus trennen sich Urteils- und Satzlehre sogleich wieder und gehen jede ihre eigenen Wege. Die Urteilslehre befaßt sich mit den verschiedenen Arten von Urteilen außer dem prädikativen; die Satzlehre baut sich zur Syntax aus und befaßt sich mit Subjekt und Prädikat nicht als Form des Urteils, sondern als Teilen des Satzes neben den anderen Satzteilen. Eben dieser Sachverhalt legt die von Ammann unter anderem Gesichtspunkt aufgeworfene Frage nahe, ob die Begegnung von prädikativem Urteil und Satz im »Aussagesatz« nicht eine bloße Scheinbegeg nung ist und die Urteilsformel S ist p nur durch die grammatischen Satzteilnamen, Subjekt und Prädikat, den Schein des Zusammenfallens mit dem Satz erhält. Der zweite Sachverhalt hängt freilich mit diesem Verhältnis von Urteil und Aussagesatz zusammen, ist aber für unser Problem von weit entscheidenderer Bedeutung. Es handelt sich um die Lücke, die in Hinsicht auf das Problem der Aussage zwischen Logik und Grammatik besteht und nun freilich erst von 44 H. Ammann, Die menschliche Rede, Bd. II: Der Satz, Lahr 1928, S. 125 45 Ebd., S. 123