57 sches Erzählen, der, alternierend mit dem der Aussage, mit dem des fiktionalen Erzählens konfrontiert wurde, nunmehr eliminiert worden ist. Die Gründe dafür ergeben sich aus dem veränderten Aufbau des Buches. Wir gehen von einem für den Zweck unseres Nachweises geeigneten Ro mantext aus, dem Anfang von C. F. Meyers »Jürg Jenatsch«: Die Mittagssonne stand über der kahlen, von Felshäuptern umragten Höhe des Julier- passes im Lande Bünden. Die Steinwände brannten und schimmerten unter den stechenden senkrechten Strahlen. Zuweilen wenn eine geballte Wetterwolke emporquoll und vorüberzog, schienen die Bergmauern näher heranzutreten und die Landschaft verengend, schroff und unheimlich zusammenzurücken ... In der Mitte der sich dehnenden Paßhöhe standen rechts und links vom Saumpfade zwei abgebrochene Säulen, die der Zeit schon länger als ein Jahr hundert trotzen mochten. Diese Romanstelle weist dieselbe sprachlogische Struktur auf wie die Rilke- sche Briefstelle (S. 44). Sie ist so geartet, daß sie losgelöst aus ihrem Kontext keineswegs als Romanstelle erkannt werden könnte, um so weniger in diesem Falle als der Julierpaß in Graubünden der uns bekannten geographischen Wirklichkeit angehört. Sie ist so gebaut, daß sie, wie die Beschreibung der Schlittenfahrt in Rilkes Brief, einem historischen Dokument, einem Tagebuch, einer Reisebeschreibung, einem Briefe entstammen könnte. Wir würden, wenn wir die Stelle losgelöst präsentiert bekämen, die kahle in der Mittags sonne daliegende Höhe des Julierpasses im Lande Bünden als das Erlebnisfeld des berichtenden Subjekts, dieses als ein historisches Aussagesubjekt auffassen können. Wenn wir diese Stelle aber mit dem Wissen lesen, daß sie der Beginn eines Romans ist, wir also einen Romanschauplatz betreten haben, ist unser Leseerlebnis von gänzlich anderer Art. Sein Hauptmerkmal ist, daß es nun des Wirklichkeitscharakters entbehrt. Und dies obwohl der geschilderte Schauplatz eine von uns als solche gewußte geographische Wirklichkeit ist und obwohl diese mit den Mitteln dichterisch veranschaulichender Schilderung uns in hohem Maße >vergegenwärtigt< ist. Aber nur darum weil wir wissen, daß wir einen Roman zu lesen begonnen haben, vermittelt uns diese Schilderung den noch nicht das Erlebnis der Wirklichkeit. Wiederum könnte diese Behauptung als eine Tautologie erscheinen und sich in nichts von der oben kritisierten Tautologie der Quasi-Urteile unterscheiden, denen das Moment des »nicht vollen Ernstes« anhafte. Aber gerade hier befinden wir uns an einem Angel punkte der, wie wir glauben sagen und im folgenden immer detaillierter nach- weisen zu können, echten Logik der Dichtung. Das Erlebnis der Nicht-Wirk lichkeit hat seine bestimmte logische, im weiteren Sinne erkenntnistheoretische