169 erlebtes Bühnenwerk vom Zuschauer aufgenommen wurde 132 , als eine andere ästhetische (oder fiktive) Realität, die von der seinigen abgetrennt war: in der Renaissance und — in völliger Ausbildung erst — im Barock. Die klassische Einheitenproblematik — mochte sie immer an die problematische Aristoteles stelle über den Sonnenumlauf anknüpfen — ist im Faktum der Rahmenbühne fundiert, und zwar als Problem des Verhältnisses der raumzeitlichen Wirklich keit des >Parterres< zu der freilich fiktiven, aber gleichfalls >echten< raumzeit lichen Wirklichkeit der Bühne, die ja sowohl als abgetrennt wie aber doch auch im physisch-physikalischen Sinne als zugehörig zum Zuschauerraum er lebt und im Laufe der theatergeschichtlichen Entwicklung behandelt wurde 133 . Die klassische Diskussion sei hier nur deshalb kurz in die Erinnerung ge rufen, weil gerade in den Denkfehlern, die sie barg, die mimetische Form nicht nur der dramatischen Dichtung sondern auch der Bühnenwirklichkeit ans Licht tritt. Es handelte sich bekanntlich um die Angleichung der fiktiven Zeit dauer der Handlung an die reale Zeitdauer ihrer Aufführung, die für die fünf- aktigen Dramen der französischen Klassik zwei Stunden betrug. Als Ideal stellt etwa Corneille, in seinem »Discours sur les trois unités« das Zusammen fallen dieser beiden Zeiten auf; und die keineswegs deutlich zum Ausdruck gebrachte Voraussetzung dafür war, daß der Zuschauer die Wirklichkeit und damit die Gegenwärtigkeit seiner Anwesenheit im Theater auf diejenige der sich vor ihm abspielenden Handlung und agierenden Schaupieler übertrage, daß vor allem diese selbst in dieser Wirklichkeit ständen. Gerade aber in der noch als möglich zugegebenen, als >wahrscheinlich< erlebbaren Differenz dieser Zeiten, die Corneille in diese Argumentation aufnimmt, tritt der erkenntnis theoretische Fehler hervor. Wenn die Handlung nicht in zwei Stunden gepreßt werden kann, »sie nous ne pouvons pas la renfermer dans ces deux heures, prenons en quatre, six, dix; mais ne passons pas de beaucoup les vingt-quatre heures de peur de tomber dans le dérèglement, et de réduire tellement le por trait en petit qu’il n’ait plus ses dimensions proportionnées et ne soit qu’imper- fection.« 134 Es wurde nicht bemerkt, daß auch eine verhältnismäßig kleine Differenz 132 Sowohl im antiken Drama wie im mittelalterlichen Mysterienspiel empfand sich, wie D. Frey zeigt, die Zuhörerschaft als Mitspieler der Handlung, in der Antike repräsentiert durch den Chor, im Mittelalter als Teilnehmer an den Prozessionen. Damit hängt es natur gemäß zusammen, daß »Raum und Zeit des Zuschauers unmittelbar dem fiktiven Raum und der fiktiven Zeit des dramatischen Vorgangs gleichgesetzt waren« (a. a. O., S. 213) und das Problem der Zeit- und Ortseinheit nicht entstand. 133 Vgl. dazu D. Frey, Zuschauer und Bühne (in: Kunstwissenschaftliche Grundfragen, Wien 1946) 134 P. Corneille, Oeuvres complètes, Paris 1963 (Ed. du Seuil), S. 844.