189 / 1 das was die deutsche Poetik als Erlebnislyrik be2eichnet hat eben als die spezi fische Erlebnis Subjektivität begründet, ist das >Subjekt< als Person, das per sönliche Ich des Dichters, seine Innerlichkeit gemeint und die Subjektivität der Lyrik der Objektivität des Epos entgegengesetzt. Die Begriffe Subjek tivität und Objektivität sind zwar handliche, aber auch ungenaue und unge fähre Orientierungen im Gebiete der Dichtung (wie es sich auch bei der Analyse der Erzählfunktion zeigte). Sie sind ungenau, weil aus dem Auge verloren ist, daß sie korrelative Begriffe und deshalb sinnvoll nur dort sind wo diese Korrelation ihre Gültigkeit hat: in der Logik des Urteils und der Aussage. Wenn es sich so verhält, daß das Strukturprinzip der Lyrik, hier als Inbegriff der lyrischen Gedichtgebilde verstanden, ein Aussagesubjekt, das lyrische Ich, ist, so kann diese Gattung nicht in einen Vergleichsbezug zu den Gattungen gebracht werden, die nicht durch ein Aussagesubjekt konstituiert sind. Sondern nur in dem Bereich kann ihr Ort als Dichtung bestimmt werden, in den sie kategorial, als Sprachstruktur, gehört, im Aussagesystem der Sprache. Wird aber das lyrische Ich nicht bloß als >Subjekt< in dem personen- haften Sinne dieses Begriffes, sondern als Aussagesubjekt fixiert, so wird gerade dadurch, wie wir zu zeigen versuchen werden, der Begriff der Sub jektivität aus der Theorie der Lyrik eliminiert, und es wird möglich, auch die modernsten Formen und Theorien der Lyrik, wie etwa Text und Texttheorie, unter ihrem Gattungsbegriff zu fassen. Dies nun mag zunächst deshalb wider sprüchlich erscheinen, weil mit dem Begriff des Aussagesubjekts und das heißt der Aussage selbst die Subjekt-Objekt-Korrelation mitgegeben ist. Wir zeigten im ersten Kapitel an einer Reihe von Aussagen aller Satzmodalitäten und aller drei Aussagetypen — der historischen, theoretischen und prag matischen — Grade und Verhältnisse innerhalb dieser Korrelation auf: von der absoluten Objektivität eines mathematischen Lehrsatzes, dessen Aussage subjekt nur den Charakter interindividueller Allgemeinheit hat, bis zur greif baren Subjektivität eines emotional gefärbten Befehlssatzes. Es zeigte sich auch, daß für den Grad der Subjektivität und Objektivität nicht der Typus der Aussage und auch nicht die Satzmodalität bestimmend ist, sondern die Hal tung des Aussagesubjekts — derart, daß eine theoretische Aussage wie die philosophischen Beispielsätze von Kant und Heidegger subjektiver sein kann als die Aussage eines historischen und eines pragmatischen Aussagesubjekts. Wenn wir uns bei der Beschreibung des allgemeinen Aussagesystems mit dem Aufweis der Subjekt-Objekt-Korrelation begnügen konnten, so haben wir jetzt in Hinsicht auf das lyrische Aussagesubjekt einige weitere Verhält nisse zu prüfen. Es gilt zu fragen, ob das lyrische Aussagesubjekt an den drei