195 im ästhetischen Sinne verstanden ist) gehört deshalb ein noch so schlecht geschriebener Roman, aber kein noch so glänzend geschriebener Essay. Es gehört dazu das (unwillkürlich) komischste Friederike-Kempner-Gedicht, aber nicht der 42. Psalm Davids. Es gehört dazu das fünfte geistliche Lied des Novalis, wenn es in seiner Gedichtsammlung, aber nicht, wenn es im prote stantischen Gesangbuch steht. Es mag deutlich geworden sein, daß mit diesen Bestimmungen nichts anderes beabsichtigt ist, als den logischen Ort der Lyrik im System der Dichtung zu fixieren. Dieser Ort liegt, um es nochmals zusammenzufassen, im Aussage system der Sprache, im Unterschied von der fiktionalen Gattung, die von ihm abgetrennt ist. Aber er liegt im Aussagesystem an einer anderen Stelle als die mitteilenden Aussagen aller drei Kategorien, sozusagen jenseits der Grenze dieses Gebietes. Wir bestimmen die mitteilende Aussage dadurch, daß sie un geachtet des Grades ihrer Subjektivität vom Subjektpol weg auf den Objektpol gerichtet ist, und d. h. eine Funktion in einem Objekt- oder Wirklichkeits zusammenhang hat, und deuteten vorerst am Beispiel des Gebet-Gedichtes an, daß die lyrische Aussage eine solche Funktion nicht haben >will< (wie wir sagen müssen) und es sich mit der Subjekt-Objekt-Polarität anders bei ihr verhält. Erst die nähere Untersuchung dieser Verhältnisse, und d. h. des Verhaltens und der Beschaffenheit des lyrischen Aussagesubjekts, wird die (logische) Genesis des lyrischen Gedichts als sprachliches Kunstgebilde weiter erhellen. liegende zweite Auflage meines Buches bereits vor dem Erscheinen seines Artikels umge arbeitet war und, wie ich hoffe, eine Reihe von Ursachen mancher berechtigten Kritik schon eliminiert, z. T. berichtigt, z. T. ganz gestrichen, waren). Doch verhält es sich nun prinzipiell so, daß Welleks Kritik das Mißverständnis dessen, was in meiner Theorie der Begriff Aussage und Aussagesubjekt besagt, zugrunde liegt. Der deutsche urteilslogische und grammatische Begriff Aussage ist im Englischen durch Statement wiederzugeben, das eine noch über assertion (Behauptung) hinausgehende allgemeine Bedeutung hat. In der englischen Version von Witt gensteins »Philosophischen Untersuchungen« ist denn auch der dort gelegentlich vorkom mende Terminus Aussage mit Statement übersetzt. Vgl. auch meinen Aufsatz »The Theory of Statement«, in: Allgemeen Nederlands Tijdschrift vor Wijsbegeerte en Psychologie 65 (1964). Ganz und gar nicht ist er durch utterance, der von mir genau definierte Begriff Wirklichkeits aussage durch real utterance (S. 393), sondern durch reality Statement wiederzugeben, wie es sich denn auch bei dem Begriff Aussagesubjekt nicht um einen »Speaker« handelt, sondern um das Strukturelement des Aussagesystems der Sprache. — Erlaubt sei mir auch, den Ver such meiner Gattungstheorie gegen die simple Formel zu verteidigen, auf die Wellek sie bringen zu können glaubt: »The dividing criterion ist the Speaker: in the lyric the poet him- self speaks, in theepicanddramahemakesothersspeak«(S. 393). Verhielte es sich so, hätte das Buch wohl kaum zur Diskussion Anlaß gegeben.