258 Faustus« die wenigen, aber zentralen Situationen, in denen Adrian Lever kühn aus dem Bericht- und Erlebnisfeld seines Biographen Zeitblom los gelöst ist, dennoch durch diesen vermittelt werden, so zeigt das an, daß der Bezug Zeitbloms zu dem Objekt seiner Biographie tiefer gegründet ist, daß er selbst als Berichter in die durch die Hauptgestalt geprägte Lebens- und Weltsphäre einbezogen ist. Die Problematik der Fingiertheit Diese wenigen, aus der Fülle der Ich-Romane gewählten Beispiele zeigen doch schon, daß die Form der Wirklichkeitsaussage bei der Interpretation von Ich-Erzählungen nicht vernachlässigt werden darf. Sie ist das strukturelle Gesetz, das weit in das ästhetische und weltanschauliche Gebiet hinein wirk sam ist — und zwar auch gerade dann aufschlußreich ist, wenn es einmal durchbrochen wird. Auch dann noch setzt die Aussageform die Grenze, die zwischen Ich-Erzählung und Fiktion besteht. Wenn wir dies zunächst mehr an den Formen des Erzählens als den Symptomen dieser Gesetzlichkeiten ablesen konnten, so ist damit jedoch die Phänomenologie der Ich-Erzählung noch nicht erschöpfend analysiert. Die Frage, die ihr logischer Ort im Dich tungssystem stellt, eine fingierte Wirklichkeitsaussage zu sein, ist damit noch nicht beantwortet j d. h. der Begriff des Fingiertseins selbst bedarf einer näheren Analyse, wobei sich dann zeigt, daß in der Tat erst er die entscheiden den Kriterien enthüllt und das Verhältnis der Ich-Erzählung zur epischen Fiktion einerseits, zur Lyrik anderseits erhellt. Daß das lyrische Gedicht eine echte Wirklichkeitsaussage ist, bedeutet, daß der Begriff der Wirklichkeit ganz und gar erfüllt ist. Denn er ist auch dann erfüllt, wenn diese Wirklichkeit nicht objektiver, sondern subjektiver Art ist, wenn — da Wirklichkeit immer erlebte Wirklichkeit ist — das Erleb nis der Wirklichkeit mehr als ihre objektive Beschaffenheit die Aussage prägt. Und das heißt: er ist auch dann erfüllt, wenn die ausgesagte Wirklichkeit noch so >unwirklich< ist. Denn hier ist auch die äußerste, träum- oder vi sionshafte, von der Empirie her nicht nachzuerlebende Unwirklichkeit ein Wirklichkeitserlebnis, das Erlebnis des lyrischen Ich (wie sie auch das Er lebnis des nicht-lyrischen träumenden, visionären Ich sein kann). Über die Echtheit dieses Ich, und damit über die Echtheit der lyrischen Aussage kann kein Zweifel bestehen — eben hierdurch ist ja überhaupt das Erlebnis des Lyrischen geprägt. Und dies besagt: in der Lyrik ist es nicht die Form, son-