278 sage hin, so wie das ganze Gedicht offen ist nach den Erlebensmöglichkeiten hin, die das lyrische Ich in einer Mondnacht gehabt haben mag und von denen es eine oder mehrere, wie immer umgeformt, stilisiert, kurz >gedichtet< aussagt. Im weiten, unendlichen Raum des Aussagesystems hat das lyrische Gedicht seinen empfindlichen Ort, im unendlich deutbaren und darum niemals rest los deutbaren Erlebnisfeld des jeweiligen lyrischen Ich. Wir scheinen hier also zunächst auf widerspruchsvolle Verhältnisse zu sto ßen, wenn wir die Frage nach der symbolischen Form der Lyrik stellen. Wenn es richtig ist, daß die symbolische Struktur einer fiktionalen Dichtung prinzi piell restlos deutbar ist, kann der Begriff des Symbols dann überhaupt aufrecht erhalten werden, wenn wir den der nicht restlosen Deutbarkeit einführen? Das heißt: müssen restlose und nicht restlose Deutbarkeit als zwei einander ausschließende Gegensätze aufgefaßt werden oder handelt es sich nur um zwei verschiedene Arten eines gemeinsamen Oberbegriffes der Deutbarkeit und damit auch der symbolischen Form? Das heißt: kann gezeigt werden, daß die fiktionale und die lyrische Gattung im Begriffe der Dichtung und damit der Kunst überhaupt Zusammenhängen ? Wir müssen zur exakten Beantwortung dieser Frage nochmals auf die am einfachen Beispiel des gemalten Baums aufgewiesene Struktur der symboli schen Form zurückgreifen, womit zugleich der Kreis der (skizzierten) Proble matik dieses abschließenden Kapitels sich schließt. Der gemalte Baum weist >bedeutend< nach zwei Seiten über sich hinaus, auf den wirklichen oder mög lichen Modellbaum (ja auf das Phänomen Baum überhaupt, das wir als wirk liches kennen) und auf den Künstler, der ihn so und nichts anders >aufgefaßt< hat. Die Variabilität der Symbolstruktur ist, wie schon gesagt, durch diese Zweiseitigkeit der >Bedeutung< des Kunstwerks bedingt. Bei der Analyse der fiktionalen Symbolstruktur haben wir diesen Gesichtspunkt zunächst unbe rücksichtigt gelassen und müssen ihn jetzt wieder aufnehmen. Denn wir konn ten bei dieser Analyse von dem Dichter der Fiktion absehen, wie wir auch bei der Analyse eines Gemäldes oder einer Skulptur von dem Künstler absehen können. Dies ist nicht in einem biographischen Sinne gemeint, sondern bezieht sich auf das Verhältnis des bedeutendem Sinnes zur >bedeuteten< Sache. Wenn wir von der symbolischen Form des gemalten Baumes sagten, daß er sowohl nach der Richtung auf den bedeuteten Gegenstand wie auf die Konzeption des Künstlers hin über sich hinaus weist, so gilt dasselbe Verhältnis auch von der Fiktion und ihrem Verfasser. Das heißt: wir können zwar, wie wir es zunächst taten, die Fiktion in sich selbst betrachten und etwa eine mehr oder weniger bewußte Symbolgestaltung in ihr feststellen. Aber schon indem wir darüber