68 Aeußerungen des Badischen Architekten- und Jngenieurvereins zu diesen neuen Normvorschlägen. Der Württembergische Verein für Baukunde ist dabei zu den im Nachstehenden kurz ausgeführten Anschauungen gelangt. Wie bekannt, hat der genannte Verein im vergangenen Jahr dem in Kassel aufgestellten Entwurf einer Honorar-Norm zugestimmt, in der Ueberzeugung, daß damit ein wesentlicher Fortschritt gegenüber den veralteten und unsicheren Bestimmungen der alten Norm erreicht werde. Er hält daran fest, daß besonders der Ersatz der manche Unklarheit zulassenden Klassenbestimmungen durch eine rechnerisch zu ermittelnde Verhältniszahl erwünscht wäre. Der Kasseler Entwurf hat nun in dem neuen vom Verbands- Vorstand verfaßten Vorschlag eine Umarbeitung erfahren, welcher wir nicht mehr beistimmen können. Unsere .Hauptbedenken richten sich hiebei gegen denjenigen Teil der neuen Gebührenordnung, welcher für jede Art von Bauausführung, oder Gebäude-Klasse bezüglich der vorbereitenden Arbeiten und der Rohbauausführung ein und dasselbe Honorar bestimmt. Aus dem auf der Delegierten-Versammlung zu Freiburg zu Tage getretenen Widerspruch gegen die Kasseler Norm und den uns vorliegenden Aeußerungen des Hannoverischen und Badischen Vereins haben wir nun den Eindruck gewonnen, daß der mit dem neuen Vorschlag gemachte Versuch, eine Einigung der widerstrebenden Vereine zu erzielen, als gescheitert anzusehen ist. und daß überhaupt eine große Majorität für ein Normsystem auf der Grundlage „als" vorläufig nicht zu gewinnen sein wird. — Eine Verbesserung der Honorar-Norm sollte aber unter allen Umständen geschaffen werden, und eine solche können wir uns nach Verwerfung des Kasseler Vor schlags nur auf der Basis der alten Norm als möglich denken. In diesem Sinne verdient der Entwurf des Hannoverschen Architekten- und Ingenieur-Vereins alle Beachtung, wenn wir demselben auch nicht in allen Teilen zustimmen können. Während wir die vorge schlagene Honorar-Tabelle, aus welcher die einzelnen Gebühren direkt als Geldsumme abgelesen werden können, als wesentliche Verbesserung gegenüber der alten Norm begrüßen, und mit der „Vorbemerkung", nach welcher die Gebühren nur für normale Lösungen normaler Auf gaben gelten, vollkommen einverstanden sind, eraihten wir die weiteren für die Berechnung nicht normaler Fälle dienenden Bestimmungen als zu kompliziert und meinen, der Versuch, auch für nicht normale Fälle Normen aufzustellen, habe durch sein Ergebnis im Verlauf der letzten Normverhandlungen seine Fruchtlosigkeit bewiesen. Be sonders die Anwendung des Einheitswertes für den Kubikmeter um bauten Raumes würden wir geradezu als fehlerhaft ansehen; denn erstens ist dieser Einheitswert im deutschen Reiche kein einheitlicher und zweitens kein stabiler. Man müßte also alle paar Jahre wieder Einheitswerte aufstellen und die Norm käme nie zur Reihe, und würde dadurch bei Publikum und Gericht nie die Geltung bekommen, welche die alte Norm besitzt. Mit Ziff. 4, nach welcher einzelne Bauteile und Ausstattungs gegenstände, welche eine besondere künstlerische Behandlung erfordern, herausgegriffen und nach Klasse V berechnet werden können, sind wir einverstanden. Verbesserungsbedürftig halten wir die Aufzählung der in den einzelnen Klassen aufgeführten Gebäudegattungen. So sollten bei spielsweise, unseren süddeutschen Verhältnissen entsprechend, Einfamilien häuser erst in der III. Klasse aufgeführt werden; ferner gehören auch die Fest- und Ausstellungshallen in die genannte Klasse, da diese erfahrungsgemäß viel künstlerische Arbeit erfordern im Verhältnis zu den Baukosten, welche in Anbetracht des billigen Materials, mit welchem solche Bauten erstellt werden, meist gering find. 2) für Bauingenieure: Wir vermissen im allgemeinen die genaue Präzisierung dessen, was der beauftragte Ingenieur zu leisten hat, insbesondere, ob es ihm obliegt, das Hilfspersonal aus der ihm gewährten Pauschalsumme zu bezahlen oder nicht. In der Regel wird der bauleitende bezw. projektierende Ingenieur die Reinzeichnungen der allgemeinen und Spezial-Projekte nicht eigenhändig vollziehen; § 3 giebt in diesem Falle keine klare Auskunft, ob aus dem Honorar die Kosten für das Hilfspersonal zu bestreiten sind. Nach § 3, Abs. 2 könnte es scheinen, als ob wenigstens für die Spezialprojekte die Bauführer zur Auf zeichnung derselben vom Auftraggeber bezahlt werden müßten. Wir beantragen deshalb den Zusatz zu 8 3: „Wird zwischen dem Auftraggeber und dem beauftragten Inge nieur nichts anderes vereinbart, so hat der letztere alles Personal, dessen er zur Bearbeitung der Pläne, Kostenüberschläge ec. für Bau entwürfe bedarf, aus seinem Honorar zu bezahlen." Zu 8 5 (Berechnung der Reisekosten und Zeitgebühren) sind wir der Meinung, daß zwar der Satz von 20 M. für die erste Stunde aufgewendeter Zeit, von 5 Ji. für jede folgende Stunde und von 2 ^ für den Gehilfen angemessen erscheint; es dürfte jedoch im Interesse besserer Verständlichkeit des Tarifes liegen, wenn der Satz von 20 Jh. eliminiert und statt dessen gesagt würde: „Die Minimal- Gebühr für eine mündliche oder schriftliche Beratung beträgt 20 .Ai.', ist dazn ein größerer Zeitaufwand als eine Stunde erforderlich, so kommen für jede folgende Stunde 5 Jl. in Ansatz. Gehilfen erhalten 2 Jl. pro Stunde Für Stellvertretung des beauftragten Ingenieurs ist eine besondere Berechnung unstatthaft." — Die Berechnung der Reiseentschädigung, die gegenüber der früheren Honorarnorm eine wesentliche Erhöhung enthält, scheint uns im allgemeinen angemessen; in besonderen Fällen sollte jedoch eine Herabsetzung oder Erhöhung der Gebühr statthaft sein je nach der Leistungsfähigkeit des Auf traggebers. Die seither übliche, nach Höhe der Bausnmme bezw. Maßgabe des Zeitaufwandes bestimmte Honorarnorm hat unseres Wissens in Süddeutschland nur dann Anwendung gefunden, wenn kleine Bau summen in Betracht kamen; bei größeren Bausummen sind in der Regel geringere Honorare bedingt worden, als sie der alte Tarif zuließ. Der neye Tarif, soweit er nach Bausummen berechnet, be läßt nun im allgemeinen die alten Sätze, wenn die Bausumme 1 Million Mark erreicht; ist sie kleiner, so erhöhen sich die Sätze und besonders bei den sehr häufig vorkommenden Bausummen zwischen 5000 und 100000«^. sind die Erhöhungen relativ groß. Angesichts des Umstandes, daß in Württemberg ohnehin der akademisch gebildete Ingenieur im Zivil-Bauwesen mit der Konkurrenz der nieder gebildeten Techniker mehr als anderwärts zu rechnen hat, dürfte es sich nicht empfehlen, die neuen Normen in verbindlicher Weise anzurechnen. Kleineren Gemeinden z. B. würde in der Regel die Bezahlung hier nach berechneter Honorare als unannehmbare Last erscheinen. Wir sind der Meinung, daß die allgemeine Anwendung der neuen Norm sehr bald die Auftraggeber dahin bringen würde, auf die Hilfe der akademisch gebildeten Ingenieure zu verzichten. Umgekehrt glauben wir, daß es erwünscht ist, den akademisch gebildeten Ingenieuren auch in Württemberg eine möglichst ausgedehnte Privatthätigkeit in ihrem Fache zu sichern und daß dies Ziel sich bei Belassunq der alten Honorarnorm besser erreichen lassen würde. Wir empfehlen deshalb die Beibehaltung der alten Ansätze und möchten überhaupt den Einzelnen überlassen wissen, nach Maßgabe des besonderen Falles sein Honorar mit dem Auftraggeber zu vereinbaren. Die Berechnungen nach Länge der Linie und Größe der Fläche für einzelne Arbeiten des Ingenieurs durchzuführen, halten wir für ganz korrekt, obschon die eingeworfene Frage, ob einfache oder schwierige Verhältnisse vorliegen (S. 5 des Entwurfs), den richtigen Ansatz der Gebühr zweifelhaft erscheinen läßt und in der Praxis da und dort Prozesse hervorrufen kann. Wir halten überdies die Ansätze für zu hoch und würden vorschlagen: für den Kilometer Baulänge bei Deichanlagen, Straßenanlagen und selbständigen Uferbefestigungen: bei einfachsten Verhältnissen Jt. 400 bei schwierigsten „ „ 1200 für den Kilometer Haupteisenbahnen, Nebenbahnen ec. (S. 5, 2): bei einfachsten Verhältnissen Ji 600 bei schwierigsten „ „ 1800 anzunehmen.