21 1800 eine Vollkommenheit war, schon im Jahr 1830 vielleicht ein Gebrechen ist." Auch die hohen Bildungsanstalten sind diesem Wechsel unterworfen. Der griechische Staat kannte eine selbständige Pflege der Wissenschaften nicht. Auf die römischen Rhetorenschulcn folgten die mittelalterlichen Klosterschulen. Zwei Jahrhunderte zogen deutsche Studenten auf die hohen Schulen von Bologna, Padua und Paris. Die ersten deutschen Universitäten standen unter kirchlicher Bevor mundung; erst im 17. und 18. Jahrhundert erlangten sie Unab hängigkeit der Lehre. Inzwischen hatten auch die Akademien der Wissenschaften begonnen, Licht zu verbreiten. Wir erkennen mit Lucrez: die einen kommen empor, die andern sinken hinunter, und wie die Läufer der Bahn reicht einer die Fackel dem andern. Nun, Gott sei Dank, unsere Universitäten stehen auch heute noch ungebrochen da und mehr Licht als je geht von ihnen aus. Wir sind die letzten, ihnen die unvergänglichen Verdienste zu schmälern, welche sie sich um unser Volk, um die Welt erworben haben. Ist doch selbst der Boden unserer technischen Hochschulen unter Mitwirkung von Kolonisten urbar gemacht worden, welche von Universitäten herüber kamen; und denken doch stets viele unserer Dozenten mit Freude an die Zeit zurück, die sie auf deutschen Universitäten zubringen konnten. Aber es hat mitunier etwas lange gedauert, bis gewisse Umwand lungen der Ansichten vollzogen waren. Jahrhundertelang, bis über die Zeit von Kepler und Shakespeare hinaus, hat man an der Physik ! und Metaphysik des Aristoteles festgehalten, und bis ins 19. Jahr hundert waren bezüglich der Technik Anschauungen maßgebend, die nicht sehr weit von denjenigen des Aristoteles abwichen. Nur so erklärt es sich, daß die Universitas iitterarum ganz unterlassen hatte, auch die technischen Wissenschaften zu berücksichtigen. Als nun die gewaltige Entwicklung eintrat, welche aus einer Gesellschaft mit mangelhafter Naturerkenntnis, ohne Gaslicht und elektrisches Licht, ohne Eisenbahnen und Dampfschiffe, ohne Telegraf und Telefon, ohne Walzeisen und Eisenkonstruktionen, ohne elektrische und so viele andere Motoren den heutigen komplizierten und anspruchs vollen sozialen Körper erzeugten, da mußten die den neuen Bedürf nissen entsprechenden Bildungsstätten erst geschaffen werden. Das ging zuerst langsam, wie die Entwicklung der Technik. Aber 1899 betrug z. B. das Anlagekapital der preußischen Staatsbahnen 7300 Millionen, welche 1300 Millionen Jahreseinnahme brachten und davon 360 Millionen für allgemeine Staatszwecke übrig ließen. Deutsche industrielle Etablissements waren bahnbrechend auf dem Weltmarkt vorgegangen und zu einer Ausdehnung gelangt, vermöge deren sie Arbeiter mit Familien bis zur Einwohnerzahl deutscher Kleinstaaten ernährten. In Wechselwirkung damit hatten die technischen Hochschulen ihre Organisation mühsam, aber getragen vom Geiste des Jahrhunderts ' vollendet und sich, wie Kaiser Wilhelm im Lichthofe der Technischen Hochschule zu Berlin erklärte, den Universitäten ebenbürtig an die Seite gestellt. An eine Verbindung beider war nun nicht mehr zu denken und sie wäre auch wohl nicht mehr wünschenswert. Die Kultur geschichte wird es daher als eine der Ruhmesthaten des Kaisers ver künden, daß er aus seiner Erkenntnis sofort den richtigen Schluß zog I und trotz aller Gegnerschaften — Privilegien pflegen nicht freiwillig zum Mitgenuß überlassen zu werden — den techn. Hochschulen Preußens das Promotionsrecht verlieh. Mit dankerfülltem Herzen durften wir erfahren, daß Se. Majestät der König, dessen Ahnen Einer schon in der hohen Karlsschule eine wirkliche Universitas litterarum anstrebte, dem Beispiele seines hohen Bundesgenossen ohne Zögern gefolgt ist. So hat das eiserne Jahrhundert, das Jahrhundert des Dampfes und der Elektrizität, auch für die Technik, welche ihm das Gepräge verlieh, einen würdigen Abschluß erlangt. Dian hat gefragt, warum wir so 'großes Gewicht auf das Promotionsrecht legten, und selbst aus den Kreisen der Technik sind Einwände erhoben worden. Nun, für uns Professoren haben wir es nicht gesucht, wir werden lediglich Arbeit damit haben, da auf jede Honorierung verzichtet wird. Der erste Grund war die nötige Unabhängigkeit der Hochschule in Betreff derjenigen Smdierenden, welche, wie die Chemiker, schon früher promoviert hatten. Sodann mußten wir im Interesse der von uns vertretenen Wissenschaften und der Heranziehung einer möglichst leistungsfähigen akademischen Jugend eine solche Krönung des Gebäudes anstreben, wie sie nun einmal in den Augen vieler als der notwendige oder allein brauch bare Ausdruck für den Charakter einer vollwertigen Hochschule galt. Nachdem dies erreicht ist, kommt es ans die häufige Verwendung des neuen Rechts weit weniger an. Man braucht nicht zu fürchten, daß nun bald überall technische Doktoren herumlaufen werden, dafür haben die Grundzüge für die Verleihung der neuen Würde gesorgt; wir können nur wünschen, daß dieselben bald Schule machen mögen. Mindestens ebenso wichtig als der Doktor-Ingenieur ist der neu ge schützte Titel eines Diplom-Ingenieurs. Aber alle Titel sind nur Dekoration, die Hauptsache ist, was geleistet wird. Niemals dürfen wir vergessen, daß nur die Förderung der Erkenntnis und der Kultur die Hochschule charakterisiert, und daß ihr Nützlichkeitsstandpunkt durch die Auffassung von Kant und Krupp markiert sein muß: „Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein." Die deutschen technischen Hochschulen, sämtlich Kinder unseres Jahrhunderts, blicken auf eine arbeitsreiche Vergangenheit zurück. Selbst erst in der Entwicklung begriffen, unter wechselvollen Anfor derungen und mancherlei Kämpfen, hatten sie einem beispiellosen Aufschwung der Naturwissenschaft und Technik, der Industrie und des Verkehrs gerecht zu werden, mit den politischen und sozialen Verhältnissen Schritt zu halten und sich zugleich diejenige Stellung zu erringen, welche der Bedeutung ihrer Wissenschaften im heutigen Kulturleben der Völker entspricht. Das ist im Großen und Ganzen gelungen. Unsere akademische Jugend übernimmt vom 19. Jahrhundert ein einiges, mächtiges Vaterland mit gesicherten Stätten fruchtbarer Thätigkeit auf allen Gebieten. An ihr ist es, das Erworbene zu wahren und zu mehren, den hohen Erwartungen, welche ans sie ge setzt werden müssen, durch Selbstzucht und unablässige Arbeit gerecht zu werden. Wir zweifeln nicht, daß sie diese Pflichten mit Freude übernehmen und sich eines großen Volks und einer großen Zeit würdig erweisen wird! Personalriachnchtm. Seine Königliche Majestät haben den Baudirektor von Bok bei der Domänendirektion unter Anerkennnng seiner langjährigen ersprießlichen Dienste und unter Ernennung zum Ehrenmitglied der Domänendirektion seinem Ansuchen entsprechend in den bleibenden Ruhestand in Gnaden zu versetzen geruht. Dem Baurat Gebhardt ist unter Belastung seines Titels und Rangs die erledigte Stelle eines hochbautechnischen Assessors bei der Domänendirektion übertragen worden. Das erledigte Bezirksbauamt Stuttgart wurde dem Bezirks bauinspektor Gekeler in Stuttgart unter Verleihung des Titels und Rangs eines Banrats, das Bezirksbauamt Eßlingen mit dem Sitz in Stuttgart dem Bezirksbauinspektor Landauer in Reutlingen und das Bezirksbauamt Reutlingen dem K. Regierungsbaumeister Kempter in Stuttgart übertragen. Bezirksbauinspeklor, tit. Baurat Knoblauch in Stuttgart er hielt eine neuerrichtete Professur für Hochbaufächer an der Bauge werkeschule übertragen. Regierungsbaumeister Schwend in Metz ist zum Professor für Brückenbau und Encyklopädie der Jngenieurwissenschaften, Privat dozent Prof. Or. Fünfstück zum etatsmäßigen Professor für Botanik und Pharmakognosie an der Technischen Hochschule ernannt worden. Betriebsbauinspektor Baurat Krauß in Calw ist in den Ruhe stand getreten und sind ihm die Insignien de? Löwen zum Ritter kreuz des Ordens der Württ. Krone verliehen worden.