No. 5 Monatsschrift des Württembg. Vereins für Badkünde in Stuttgart. 21 Besonders hervorzuheben ist in diesen beiden Fällen der Um stand, dass die Anzapfung der Täler durch neue, fremde Seiten täler schon bei sehr kleinen Gefällsunterschieden erfolgt, wobei allerdings anderseits in Rechnung zu nehmen ist, dass die Länge der Durchbruchstellen sehr kurz ist. Wohl mancher von den Inselbergen und Vorbergen der Alb, die heute von ihr vollständig abgetrennt oder durch Sattel bögen mit ihr verbunden sind, wird sich späterhin als Erzeugnis der Abtragungsarbeiten des fliessenden Wassers nach verschie dener Richtung darstellen, wie dies am augenfälligsten die Kirchenberge von Ober- und Unterkochen zeigen. Bevor auf die erosive Wirkung des grossen Rheingletschers des näheren eingegangen werden soll, sind in Kürze einige allgemeine Sätze über Eisbewegung vorangeschickt. 1. Das Gletschereis ist durchaus keine starre, vielmehr eine gegen Druck plastische, gegen Zug sehr spröde Masse. Es können sich deshalb Spaltungen und Wiederverfestigungen oder vollständige Trennung und Wiederverschmelzung von Eismassen in raschester Aufeinanderfolge vollziehen. 2. Die Oberfläche eines Gletschers ist konvex gekrümmt. Die Geschwindigkeit eines Gletscherstroms ist in der Mitte, an der dicksten Stelle, am grössten. Sie beträgt bei den heu tigen Gletschern, die bezüglich ihrer Mächtigkeit und Druck wirkung nur schwächliche Nachahmungen derjenigen sind, die von Skandinavien aus sich über Norddeutschland und von den Alpen sich über Oberschwaben fortschoben, Bruch teile eines Meters jährlich. Unter der Annahme, dass die Gletscher Skandinaviens sogar 5 m Geschwindigkeit hatten, berechnet sich die Zeit, die nötig war, um das Eis von Norwegen bis an den Harz, d. h. 1000 km weit fort zu schaffen, auf 200000 Jahre. 3. Wenn, wie dies Fig. 3 zeigt, ein schwächerer Eisstrom in einem Tal flussabwärts wandert, und ein zweiter, stärkerer Eis strom seitlich einmündet und ab gebogen wird, so wird der erstere gestaut und platt an den jen seitigen Talhang gedrückt. Be steht dieser Hang aus weichem Material, so wird er abgeschabt, abgekratzt, nach und nach ab getragen und es verschiebt sich jener Seite. 4. Wird der Seitenstrom in Ziff. 3 noch wesentlich stärker, so dass der unterhalb anschliessende Teil des Tals weder ihn selbst, noch viel weniger beide Ströme zu fassen ver mag, so werden in ähnlicher Weise wie bei einer Strassen- walze unmittelbar vor den Walzen wulstförmige Auf blähungen des Schottermaterials sich zeigen, unter gleich zeitigem Eisaufstau wirbelähnliche, rückläufige Bewegungen der abgeschürften Massen entstehen. Diese beweglichen Teile der Seitenmoränen müssen unmittelbar oberhalb der Ein mündungsstelle des Seitenstroms eine konkave Einbuchtung in dem jenseitigen nach Ziff. 3 zurückweichenden Hang aus nagen. Je stärker der Seiten strom ist, umso kräftiger wird der Aufstau und die zurück gedrängte Masse sein und mit umso grösserem Halbmesser wird sich die konkave Einbuchtung nischenförmig in den Hang einnagen. (Vgl. Fig. 4.) 5. Wenn dieser vereinigte Eisstrom, der das Tal durch Abkrat zungen des weichen Hangmaterials entsprechend erweitert hat, in seiner Fortsetzung genötigt wird, durch eine beiderseits von Felsen begrenzte enge Pforte zu Hiessen, so werden die Eismassen erheblich gestaut und die Seitenmoränen, die Donau« — keinen Raum zum Weiterfliessen finden, abgeschürft. Von hinten her geschoben, sind solche Eis massen zu vergleichen mit in Walzwerken zu walzenden Eisenträgern, bei denen sich beiderseits unmittelbar vor den Walzen Verdickungen zeigen. Dementsprechend müssen diese abgeschürften Massen vor Hisc/ie Seilenmoräne Fig. 3. das ganze Flusstal nach Fig. 6. entlang hinziehen s.ängenschnifl des Gletscher droms entlang des Donautals Querschnitt des Gletschörstrmns des.Seitentals solchen Felspforten beiderseits rückläufige Bewegungen aus führen und an beiden Hängen bogenförmige Nischen in der in Ziff. 6 beschriebenen Weise hinterlassen. (Vgl. Fig. 5.) 6. Wenn ein im Haupttal Messender schwächerer Eisstrom mit einem stärkeren aus einem Seitental einmündenden Strom zusammentrifft, so wird er nicht nur, wie in Ziff. 3 u. 4 erwähnt, den jenseitigen Hang abschürfen und das Haupttal nach und nach erweitern, sondern er wird das stärkere Gefälle des Seitentals eine Strecke weit beizu behalten bestrebt sein und daher die ^ Talerweiterung tiefgründiger auspflügen als das überschrittene frühere Tal (vgl. Fig. 6). Die Folge wird sein, dass die tiefsten Punkte des erweiterten Tals an dem der Mündungsstelle entgegengesetzt liegenden Hang zu suchen sind und dass sich die Wasser jenem Hang werden. 7. Da aber teilweise auch Wasser in dem ehemaligen Fluss bett und seinen Kolken Zusammenflüssen werden und diese Wasser in dem alten, nunmehr mit loserem Material zugeworfenen Bett nur mit Schwierigkeit abfliessen können, wird das Gelände, das vom früheren Flussbett einge nommen wurde, sich als versumpftes oder vermoortes darstellen. 8. Durch Stauungen, wie sie in Ziff. 4 u. 5 beschrieben wurden, wird die Oberfläche des Eises nach und nach gehoben. Als weiteres Moment, das die Hebung der Eismassen begünstigt, ist neben dem Stau der Umstand anzu führen, dass die ero sionskräftigeren und tiefgründigeren Seitenströme die dem Haupttal entlang wandernden schwächeren Ströme bis zu einem gewissen Grad von unten her heben, wie dies Fig. 7 zeigt. 9. Als Wegweiser für einen früheren Eisstrom gelten in der Hauptsache Schrammen und Furchen. Solche können aber in weichen tertiären Sanden unmöglich, in leicht verwit ternden Kalken nur äusserst schwer nachgewiesen werden. Ein weiteres' Merkmal für das Darüberhingleiten von Eis sind abgerundete Felsköpfe, die gegenüber den in der Nähe vorhandenen auch erniedrigt und abgetragen erscheinen. Unter Bezugnahme auf diese neun Sätze kann das Er gebnis meiner Beobachtungen folgenderfnassen zusammengestellt werden. Die Eismassen des aus dem oberen Rheintal mit elementarer Gewalt hervorbrechenden, 1000 m mächtigen ersten Gletschers wurden nach Oberschwaben hineingeschoben. Einem zäh flüssigen Lavastrom gleich breitete sich der Gletscher zwischen dem Algäu und dem Hegau über das heutige Oberschwaben in einer Breite von annähernd 100 km aus. Vorstehende Berg kuppen, die aus weichen, tertiären Sanden bestanden, wurden abgetragen, vorliegende Täler mit Schlamm und Geschieben ausgefüllt. Mit der Zunahme der Breite verlor der Gletscher naturgemäss an Höhe. Die Richtungslinie der Gletschermitte entsprach ungefähr der Richtung Rheintalmündung—Riedlingen. In der Nähe dieser Stadt finden sich daher auch die am weitesten nach Norden vorgeschobenen Gletscherablagerungen, deren Ende ungefähr durch einen Halbkreis begrenzt wird, dessen Halb messer etwa 50 km misst und dessen Mittelpunkt etwa 10 km nordwestlich von Friedrichshafen liegt. Bei ihrem Vordringen stiessen die Eismassen auf das als Eisbrecher vorgelagerte Tertiärmassiv des Bussen, durch das sie in einen westlichen, in der Hauptsache zur Donau und in einen östlichen, in der Hauptsache gegen die Riss entwässernden Eisstrom geteilt wurden. Die Geschiebeablagerungen des ersteren finden sich nun eigentümlicherweise entlang der 35 km langen Flussstrecke Inzigkofen—Bedungen—Zell, auch jenseits des Donautales, das sich in all seinen Krümmungen schon zu Ende der Miozänzeit am Fusse der südöstlich geneigten Alb annähernd in seiner heutigen Tiefe gebildet hatte. Für die Beförderung dieser Geschiebe über das Donautal hinweg gibt es nur drei Erklärungen. Entweder füllten die gewaltigen Eismassen das Donautal vollständig aus und stauten