Nr. 4 Monatsschrift des Württembo. Vereins für Baukünde in Stuttgart. 43 Titel veröffentlicht wurde: „Ordnung für diejenigen, welche sich in die dem Herzogtum Württemberg gemachte und von gnä digster Landesherrschaft genehmigte allgemeine freiwillige Landes versicherungsgesellschaft begeben wollen.“ Sämtliche Gebäude wurden nach ihrem Wert in 32 Gruppen eingeteilt und es bildeten je eine Gesellschaft von Klasse I— 10 mit 50—500 fl. Gebäudewert je 201 Besitzer, von Klasse II— 20 mit 500—2000 fl. Wert je 151 Besitzer, von Klasse 21—32 mit 2000—12 000 fl. Wert je 101 Besitzer, deren Mit glieder einander gegenseitig den Wert ihrer Gebäude derart garantieren mussten, dass im Falle eines Brandes die Mitglieder derjenigen Gesellschaft, zu welcher das Haus gehörte, den Schaden miteinander zu ersetzen hatten. Der Erfolg war aber teils wegen der Freiwilligkeit des Ein tritts. teils wegen der Einschränkung der Versicherungsgruppen ein geringer, und erst der grosse Brand in Murrhardt im Jahre 1765 gab Veranlassung zu weiterer Anregung. : i erzog Karl, der bekanntlich dem Feuerlöschwesen grosse Aufmerksamkeit schenkte und bei zahlreichen Bränden in der Um ubung von Stuttgart den sogen. Feuersegen gab, erliess dann am ; 6. Januar 1773 die Herzogi. Württemb. allgemeine Brand- sch: : . nsversicherungs-Ordnung, durch welche eine zwangsweise Vereis igung sämtlicher Gebäudeeigentümer im Herzogtum Würt- ten rg zum Zwecke der Versicherung ihrer Gebäude gegen Brar schaden in eine Gesellschaft geschaffen wurde, welche die den Brandschaden entsprechende Entschädigung behufs Wieder herstellung der vom Brande betroffenen Gebäude zu leisten hatte. Damit war der Grundstein für die württembergische Brand versicherungsanstalt gelegt. Die Umlage erfolgte nach jedem grösseren Brandfall bei allen Versicherten mit Ausnahme der Beschädigten selbst. Eine Klassifikation der Gebäude nach dem Grad ihrer Feue:Gefährlichkeit war zwar nicht vorgesehen, aber in § 75 der Versicherungsordnung war bestimmt, dass bei den Wasch-, Bacf. und Brennhäusern, Farbhäusern, Schmieden, Schlossern, Rotgiessern und dgl. Werkstätten an der Entschädigungssumme der achte Teil abgezogen wird. ! iese für die Beteiligten ausserordentlich harte Bestimmung sollte ein Ansporn zu möglichster Vorsicht sein. ■von ähnlichen Erwägungen ging das bis vor wenigen Jahren gültige badische Brandversicherungsgesetz aus, wo der Besitzer nur vier Fünftel des Gebäudewertes versichern durfte. : iese sogen. Selbstversicherung eines Teils des Versicherungs objektes kommt jetzt nur noch in sehr feuergefährlichen Be trieben bei den Privatversicherungsgesellschaften vor, wird aber von den Beteiligten mit Recht sehr angefochten. Eine Abänderung erfuhr das württembergische Gesetz im Jahre 1782 mit der Bestimmung, dass bei Brandfällen für die Gebäude mit Stroh- und Schindeldächern, welche innerhalb zwei Jahren nicht mit Ziegeln gedeckt sind, ein Abzug von einem Sechstel der Brandentschädigung zu erfolgen habe. Der bedeutendste zu entschädigende Brand am Ende des 18. Jahrhunderts, der in Sulz am 15. Juli 1794, wo 193 Ge bäude mit einem Versicherungswert von 227 150 fl. ein Raub der Flammen wurden, verursachte eine Umlage von 24 kr. (70 Pfg.) für 100 fl. 40°/ 00 , gegenüber von sonst höchstens 6 kr. Noch schrecklicher war der Brand in Tuttlingen am 1. November 1803, bei welchem 250 Häuser mit Kirche und Rathaus zerstört wurden, 2 100 Einwohner obdachlos waren und von 700 Bürgern 500 ihr ganzes Hab und Gut verloren. Nachdem infolge des Luneviller Friedens durch den Reichsdeputationshauptausschuss vom Jahre 1803 mehrere neue Gebietsteile erworben worden waren, wurde für die neuen Landesteile am 26. November 1804 eine eigene Brandschadens- Versicherungsanstalt gegründet und ihnen am 21. August 1805 eine besondere Brandversicherungsordnung gegeben. Die im Jahre l80o erfolgte abermalige Vergrößerung des Landes und dessen Erhebung zu einem Königreich veranlasste endlich die Vereinigung der Brandversicherungsanstalten der alten und neuen Lande in eine sich über den ganzen Umfang des Königreichs erstreckende Brandschadensversicherungsanstalt, welche mit dem Generalreskript vom 17. Dezember 1807 in Kraft trat. Auch in diesem Gesetz waren keine Gefahrenklassen vor gesehen und die Umlagen erfolgten wieder nach Massgabe der Versicherungssumme, von jetzt ab aber nicht mehr nach jedem grösseren Brandfall, sondern alljährlich. Geblieben aber war die harte Bestimmung, dass im Brand fall bei feuergefährlichen Gebäuden, deren Zahl noch ausgedehnt wurde, der achte Teil, und bei Gebäuden mit Stroh- und Schindel dächern der sechste Teil der Brandentschädigung in Abzug zu bringen war. Hiezu kam weiter die Bestimmung, dass der sechste Teil der Entschädigung auch bei den Gebäuden abzuziehen ist, in deren Bauart noch Fehler gegen die Feuer- und Bauordnung vorhanden sind. Die Absicht dieser rigorosen Bestimmungen war in Abs. 1 des § 17 zum Ausdruck gebracht, der heisst: „Es hiesst aus den Regeln einer Gesellschaft, dass Gebäude, bei welchen eine besondere Feuersgefahr obwaltet, auch einer besonderen Be schränkung unterworfen werden, um die erforderliche Sorgfalt der Inhaber zu erzielen oder die Fehler in der Bauart auszu rotten und nicht andere Mitglieder dadurch in Schaden fallen zu lassen.“ Von der Versicherung ausgeschlossen waren die Königlichen Schlösser, die Schlösser der vormals Reichsunmittelbaren, die Klostergebäude, die Kirchen und Türme, Opern- und Komödien gebäude, Pulvermühlen, Bergwerke, Salzwerke, Ziegelhütten, Porzellanfabriken und noch mehrere derartige feuergefährliche Betriebe. Die Schlösser der Rittergutsbesitzer konnten nur bis zu einem Höchstbetrag von 25 000 fl. versichert werden. Durch Gesetz vom 28. März 1828 wurde dann die letztere Bestimmung beseitigt, auch fiel der Ausschluss der Schlösser der Standesherren, sowie der Kirchen und Türme weg. Mit dem Staatsvertrag vom 7./20. August 1838 mit dem Fürstentum Hohenzollern-Hechingen wurden auch die Gebäude dieses Landes in die württembergische Anstalt aufgenommen, welcher Vertrag aber am 31. Dezember 1855 wieder zu bestehen aufgehört hat. Die Verwaltung der Anstalt geschah unter der obersten Leitung des Ministeriums durch die vier Kreisregierungen und war daher etwas schwerfällig. Dieser Umstand und die schon erwähnten Härten bezüglich des Abzugs von 1 / 8 bezw. 1 / 6 der Entschädigung bei feuer gefährlichen Gebäuden, sowie die Bestimmung, dass der Be schädigte die Kosten der Schadenschätzung allein zu tragen hatte, mögen dazu beigetragen haben, dass, insbesondere in dem tollen Jahre 1848 der Wunsch auf Abänderung des Gesetzes laut wurde. Das jetzt noch geltende Gesetz wurde dann am 14. März 1853 nebst Vollzugsverfügung erlassen und besteht also jetzt 51 Jahre, während das Kgl. Reskript vom Jahre 1807 nur 46 Jahre Geltung hatte. In diesem Gesetz vom Jahre 1853 wurde erstmals das Klassensystem eingeführt, wonach die Beiträge entsprechend der Feuersgefahr des Gebäudes zu entrichten sind ; der Beschädigte erhält nun aber die vollen Wiederherstellungskosten und von den Kosten der Schadenabschätzung hat er nur noch die Hälfte zu ersetzen. Diese Klasseneinteilung in sechs Gefahrenklassen war auf Grund der langjährigen Erfahrungen der im Lande seit 1812 segensreich wirkenden Mobiliarversicherungsgesellschaften ermög licht, passt aber selbstverständlich nicht mehr für die seit 1853 fast durchweg geänderten Verhältnisse der einzelnen Betriebe und wurde seither auch mehreremal geändert und ergänzt. Der Wiederaufbauzwang wurde mit Dispensationsbefugnis beim Vorhandensein dringender Gründe beibehalten. Eine Novelle zu dem Gesetz brachte das Gesetz vom 4. Oktober 1865, welches bestimmt, dass auch Fälle der Zerstörung oder Beschädigung von Gebäuden infolge von Explosionen, mit Ausnahmeder durch Wasserdämpfe verursachten, zu entschädigen sind. Den Anlass hiezu gab bekanntlich die Zerstörung des Gebäudes von Flaschner Dietz auf dem Leonhardsplatz da hier am 19. Februar 1865 infolge einer Gasexplosion, für welches, da Brandspuren nicht zu finden waren, ein Feuerschaden also gar nicht entstand, nach dem strengen Wortlaut des Gesetzes eine Entschädigung nicht bewilligt werden konnte. Zurzeit sind also die durch Wasserdämpfe verursachten Explosionen immer noch nicht inbegriffen, sollen aber zukünftig miteingeschlossen werden.