Die epische Fiktion 91 pains nor paper to open it at large to our readers, but if whole years pass without proceeding anything worthy his notice. . . we shall leave such periods of time totally unobserved« (II, i). Erbemerkte nicht, daß er mit die sem Satze die Romanzeit, die er durch die Kapitelüberschriften bezeichnen wollte, wieder aufhob, daß weder der Erzähler noch der Leser auf die Zeit achtet, in der sich das erzählte Geschehen und Erleben abrollt, weil die ‘Erzählzeit’ nicht die ‘erzählte Zeit’ ist 45 , ja daß überhaupt nicht Zeit erzählt wird, sondern Geschehen, Leben - und damit die zeitangebenden Kapitelüberschriften in seinem wie in jedem anderen Roman überflüssig sind. Aber für Fielding war nicht die Darstellung der Zeit als Erlebniskate gorie das Problem (dies wurde sie, wie oben erwähnt, erst im modernen Entwicklungsstadium des Romans), für ihn war sie ein Kriterium und eine Art Crux für den Fiktionscharakter der Romanwirklichkeit, eine ungewöhn lich scharfsinnige Beobachtung in dieser Epoche (1745), die in aller ihrer dichtungstechnischen Pragmatik doch darauf abzielt, Erkenntnisse über den eigentümlichen Ort der Fiktion im Denk- und Sprachsystem zu gewinnen. Und unter eben diesem Gesichtspunkt sind nun die theoretischen betrach tenden Einlagen zu beurteilen, mit denen er jedes der achtzehn Bücher des >Tom Jones< einleitet. Sie enthalten seine Romantheorie, Erörterungen über den Unterschied und die Ähnlichkeit zwischen ‘history’ und Roman und dergleichen mehr, und indem er auf diese bewußt kritische Weise die Romantheorie in den Roman selbst einbaut, macht er diesen, unbeschadet seines Inhalts, zu einer humoristischen Angelegenheit. Daß die Grundhal tung des >Tom Jones< humoristisch ist, liegt eigentümlicherweise weder an den theoretischen Betrachtungen noch an der Geschichte selbst. Beide sind an und für sich nicht im eigentlichen Sinne humoristisch. Aber der humori stische Grundton kommt dadurch zustande, daß durch die romantheoreti schen Erörterungen immer von neuem das Bewußtsein wachgehalten wird, daß ein Roman keine Wirklichkeit ist, sondern Illusion, Schein, Fiktion, ein Leben nicht als Leben, sondern - wie später Novalis sagte - als Buch. Mag die Scheinwirklichkeit, die der Roman erzählt, auch noch so wenig komisch sein, sie erscheint im humoristischen Lichte eben dadurch, daß sie ‘gemacht’ ist (ein TtoiEiv), daß ihr Schöpfer mit ihr spielen, sie aufheben und wiederherstellen kann, daß diese Wirklichkeit sich sozusagen selbst nicht ernst zu nehmen braucht. So finden wir denn auch nur in humoristischen Romanen Hinweise auf die Kapiteleinteilung, d. h. Hinweise darauf, daß das was hier erzählt ist, nur der Inhalt eines Buches ist und schon deshalb nicht mit der Schwere, dem blutigen Ernst, der grausamen Willkür des wirklichen Lebens behaftet ist. Immer wieder heißt es: »As we have seen in the chapter 45. Dies ist die bekannte Terminologie und das Problem der Untersuchungen GMüllers und seiner Schule. Vgl. hierzu meine oben Anm. 43 zitierte Arbeit in DVJS.