FÜR WÜRTTEMBERG’ BADEN HESSEN ELn SASS-LOTHRINGEN STUTTGART, 13. JANUAR 1906 ALLE RECHTE VORBEHALTEN. - INHALT: PREISAUSSCHREIBEN EÜR EIN WIRTSCHAFTSGEBÄUDE AM KURSAAL IN CANNSTATT. — STUTTGARTER BAUPOLIZEIVERHÄLTNISSE. — PROJEKTIERTE BAUGRUPPE OBERHALB DER STAPF- LENBERGSTRASSE IN STUTTGART. - VEREINSMITTEILUNGEN. - WETTBEWERBE. - KLEINE MITTEILUNGEN. - PERSONALIEN. - BÜCHER. PREISAUSSCHREIBEN FÜR EIN WIRTSCHAFTS GEBÄUDE AM KURSAAL IN CANNSTATT (SCHLUSS) Zu seinem in der vorigen Nummer veröffentlichten Ent wurf „An der Quelle I“ gibt Architekt HeinrichMehlin- Stuttgart folgende Erläuterung: „Der Entwurf, der, nebenbei gesagt, in anerkennenswerter Weise in seiner ganzen Ausdehnung wiedergegeben ist, zeigt, daß es vorzüglich geht, den ganzen Wirtschaftsapparat auf einem Boden zu vereinigen, ohne daß die überbaute Grundfläche eine nachteilige Größe angenommen hätte. Dadurch dürfte sich der Betrieb zu einem denkbar günstigsten gestalten. Ferner dürfte es einzig und allein nur dadurch möglich sein, den Bau so zu gestalten, daß der Würde seines älteren Nachbarn nicht im geringsten Abbruch getan wird. Was nun die Gestaltung des Äeußern meines Entwurfs betrifft, so sagte mir anläßlich der seinerzeitigen Aus stellung der Pläne im Kursaal ein Kritiker: ,Grundriß vorzüglich, ungemein praktisch, aber die „Fassaden“ stellen nichts vor.' Das war mir gerade das, was ich hören wollte; der Mann hatte den Nagel entschieden auf den Kopf getroffen. Die ,Fassaden', wenn man das Wort nun einmal gebrauchen will, stellen so viel vor, als es ihnen im vorliegenden Falle nun einmal erlaubt ist, vor zustellen, und eben darin dürfte der künstlerische Wert des Entwurfs zu suchen und zu finden sein. Mögen nun bei der weiteren Gestaltung der Dinge allen guten Gedanken und Ideen die wohlverdiente Anerken nung und Berücksichtigung zuteil werden, auch wenn die Urheber derselben nicht gerade das Glück haben, so sehr ,an der Quelle' sich aufhalten zu können. Mit andern Worten; Möge die Ilsfelder Konkurrenz, vielmehr das, was aus ihr teilweise in natura geworden ist, hier nicht vorbildlich sein.“ Die Architekten Grae & Röckle geben zu ihrem an gekauften Projekt, Motto; „Volksfest — Kursaal Cann statt“, nachstehende kurze Erläuterung; „Der leitende Gedanke bei Aufstellung dieses Projektes war: Unterordnung dem Kursaal, Erreichung möglichst günstiger gegenseitiger Lage der Räume für den Wirt schaftsbetrieb zu Garten, Kursaal, Gartenrestaurationen, intime Verbindung der Säle zum Wirtschaftsgarten. Aus letzterem Grunde wurde eine eingeschoßige Anlage ge wählt.“ Eine sehr ansprechende Lösung gibt der vom Preisgericht anscheinend nicht beachtete Entwurf „Euterpe“. Der Verfasser, Architekt Bruno Taut, gibt seinem Projekte folgende Erläuterung: „Vom ästhetischen Gesichtspunkt aus schien es mir das Richtigste (?) zu sein, an die Stelle des alten Wirtschafts gebäudes ein ähnliches neues zu errichten, welches dem Äuge ein dem altgewohnten annähernd gleiches Bild bietet. Das Restaurationsgebäude bildet in seiner kleineren Detaillierung einen wirksamen Gegensatz zu dem strengen Kursaal und durch seine größere Höhenentwicklung das natürliche Gegengewicht gegen den neuen Saalflügel, welcher den Besucher des Gartens auf den würdigen alten Bau vorbereitet. Die vorhandene Baumgruppe (3 Götterbäume) und die Platane, welche für die heutige Anlage besonders charakteristisch sind, bleiben bestehen und werden nach Ausführung der projektierten Bauten dem Kursaal die nötige Folie geben. Die gärtnerischen Anlagen vor dem Kursaal müßten wohl notwendigerweise einfacher gestaltet werden. (Bei der Perspektive dieses Entwurfes ist davon nichts eingezeichnet worden, um die rein architektonische Wirkung der Lösung klar zu zeigen; auch die Platane ist aus gleichem Grunde fortgelassen worden.) Es wäre wünschenswert, in einer gewissen Strenge der gärtnerischen Anlagen den Gedanken eines Vorhofes zum Ausdruck zu bringen, wie er in der alten Anlage des Kursaals mit Wirtschafts-, Pförtner- und Kurhaus angedeutet war und nun durch den neuen Flügel einen Abschluß finden würde. — In der Perspektive hat das Standbild einen niedrigeren Sockel erhalten; es würde vielleicht bei dieser Art der Aufstellung die Wirkung der strengen Architektur durch den Gegensatz des Materials und der Zeichnung erhöhen. Die Fassaden sind in Putz und Sandsteingliederungen gedacht. Der Grundriß ergab sich aus den folgenden drei Haupterfordernissen: 1. Von den Büfetts aus sollen der Garten, der Kursaal und die neuen Wirtschaftsräume bedient werden. 2. Die neuen Säle sollen auch getrennt vom Garten und von den Wirt schaftsräumen für Konzerte und Festlichkeiten benutzt werden können. 3. Der Wirtschaftsgarten darf nicht verkleinert werden. Um dem Gebäude keine zu große Ausdehnung zu geben, habe ich die Küche in das Souterrain gelegt. Sie ist durch ein Oberlicht und durch Lichtschächte genügend beleuchtet und steht durch Aufzüge in der Anrichte in bequemer Verbindung mit dem Erdgeschoß. Gegen die auf dem dortigen Baugrund besonders starke Erdfeuchtig keit kann sie durch Luftschichten u. ä. ausgiebig ge schützt werden. Die Anlage der übrigen Räume moti viert sich unmittelbar aus den Zeichnungen. Der Gang vor den Sälen ist durch seitliches Oberlicht reichlich beleuchtet; auch für die Beleuchtung der Büfetts ist durch Glaswände gesorgt. Die Kolonnade am Garten kann im Winter je nach Bedarf als Glasveranda benutzt werden. — Die Ausstattung des Innern ist in einer ähnlich intimen Art gedacht, wie sie der Kursaal auf weist; Die Säle sehr einfach gegliedert; die Hauptsache: