86 BAUZEITUNG NR. 11 bau nicht erschöpft. Gerade dadurch, daß sie die Be wohner ihres Industriehofs zu einer Art Wirtschafts organisation verknüpft, befähigt sie wahrscheinlich die selben, der großstädtischen Grundrente ganz und gar zu entrinnen. Ist auf die angedeutete Weise Werkstätten-, Kraft-, Licht-, Wärmebedarf organisiert, besteht eine sich ergänzende Zusammenfassung von Gewerben, finden sich Ansätze einer Organisation von Transportmitteln wie für Rohstoffeinkauf und Waren vertrieb, so sind die Hemm nisse beseitigt, die einer sonst volkswirtschaftlich wün schenswerten Abwanderung derjenigen Gewerbetätigkeit, die nicht unbedingt an die Großstadt gefesselt ist, im Wege stehen. Dies um so mehr, als ja die sonst so schwierige Beleihungsfrage in der gemeinnützigen Ge sellschaft selbst ihre Erledigung gefunden hat. Die gemeinnützige Gesellschaft für Werkstättenbau stellt sich somit als eine wichtige Handhabe aller Dezentrali sationsbestrebungen dar. Mit ihrer Hilfe wird eine An siedlungsbewegung (sei es nun in der Form der „Stadt verjüngung“ von Dr. K. v. Mangoldt, der „Industrie wohnstraße“ von Latscha undTeudt oder der „Gartenstadt“ Howards) bedeutend leichter vorwärts kommen. — Auch wenn die Dezentralisationsbewegung sich im Anschluß an die Kleinstädte entwickeln sollte, wird unsre gemein nützige Gesellschaft die wertvollsten Dienste leisten können. Hier könnte sie auch als kommunale Einrichtung gedacht werden. In der Kleinstadt würde sie ein vorzügliches Mittel sein, um mühselige Klein- und Heimindustrien zu reorganisieren und volkswirtschaftlich leistungsfähig zu machen. Hier könnte sie der Ausgangspunkt eines in dustriellen Aufschwungs des ganzen Orts, ein Kristalli sationskern für neue industrielle Entwicklung werden. WETTBEWERB FÜR EIN REALGYMNASIUM IN ALTENESSEN (VGl.dib Abbildungen Seite 84und 85) Bei dem Wettbewerb für Pläne zu einem Realgymnasium in Altenessen (nach Frankfurter Reformsystem) wurde, wie schon seinerzeit kurz mitgeteilt, Architekt Hein rich Mehlin-Stuttgart mit dem I. Preis ausgezeichnet. Der Freundlichkeit des genannten Herrn verdanken wir die bildlichen Darstellungen des preisgekrönten Entwurfs. Zunächst sei aus den Programmbedingungen das Wesent lichste mitgeteilt. Gefordert wurden; 9 Klassenzimmer von verschiedenen Größenabmessungen, Gesangssaal und Kombinationsklasse, Turnhalle, zugleich Aula, Direktor zimmer mit anschließendem Wartezimmer und Lehrer zimmer, je 3 Räume für Physik und Chemie, Bibliothek, Lehr- und Sammelzimmer für beschreibende Naturwissen schaften, Zeichensaal, Wohnung des Schuldieners mit besonderem Eingang, Aborte. Das Projekt mußte die Möglichkeit vorsehen, daß zunächst nur eine teilweise Ausführung, und zwar der Räume für eine sechsstufige Anstalt (bis einschl. Obersekunda) erfolgt. Hiebei kommen in Wegfall: a) 3 Klassenzimmer, b) Ge sangsaal, c) 3 Räume für Chemie. Ferner ist die Mög lichkeit vorzusehen, daß nach erfolgtem Ausbau zur neunstufigen Yollanstalt außerdem noch eine Erweiterung um 4 Klassen stattfindet. Des weiteren wurde verlangt eine Direktorwohnung, bestehend aus 7 Zimmern nebst Zubehör. Dieselbe ist in günstige Verbindung mit dem Hauptgebäude zu bringen. Der Hauptunterricht findet in den Stunden bis 1 Uhr mittags statt. Für Grundrisse und Schnitte war der Maßstab 1:200, für die Ansichten 1:100 verlangt; Perspektiven waren von der Beurteilung ausgeschlossen. An Preisen waren ein I. Preis von 2500 M., ein II. von 1500 M. und ein III. von 1000 M. ausgesetzt, welche auch programmgemäß zur Verteilung gelangten. Das Preisgericht erkannte unter den 67 eingelaufenen Entwürfen einstimmig dem vorliegenden Entwürfe den I. Preis zu. Bemängelt wurde die Lage zweier Schul klassen nach Süden — ein Beweis, wie sehr die An sichten in dieser Hinsicht immer wieder auseinander gehen. EIN NEUES DEKORATIONSVERFAHREN FLACHRELIEFS VON FR. ROCK-STUTTGART Wir haben bereits bei der Besprechung der Haustein- Ausstellung auf dieses neue Verfahren hingewiesen, das vom Dekorationsmalermeister Fr. Rock in Stuttgart er funden wurde und allein aus geführt wird (vgl. Nummer 5 der „Bauzeitung“). Die ab gebildeten Decken sind von Paul Haustein-Stuttgart ent worfen und noch von der Haustein-Ausstellung her in den Räumen des Württember- gischen Kunstgewerbevereins im StuttgarterLandesgewerbe- museum ausgestellt. Zur Her stellung dient eine besondere Stuckmasse, die außerordent lich fest wird, durch beson dere Zubereitung sogar wetter beständig gemacht werden kann, so daß derartige Flach reliefdekorationen auch an den Fassaden haltbar angebracht werden können. Im Inneren können sie vielseitige Verwendung finden zur Decken ausbildung, als Wandmusterung, als Brüstungen an Stelle von Lincrusta oder ähnlichem; die Kosten der Her stellung sind etwa die gleichen wie für sonst an ihrer Stelle angebrachte Malereien und viel geringer als wie für jedes andre Stuckverfahren oder Lincrusta. DER BRAND DES LUDWIGSBURGER WAREN HAUSES beschäftigt unsre bautechnischen Kreise in außerordent licher Weise, insbesondere gibt die Art der Verbreitung des Feuers den Sachverständigen Anlaß, ihre Erfahrungen und Ansichten zur Kenntnis zu bringen. Wir geben in nachstehendem zwei Zuschriften Raum, die höchst wertvolle und eingehende Ergänzungen zu den Aus führungen in Nr. 10 enthalten. Die eine Zuschrift, die Wahrnehmungen eines hiesigen Technikers wiedergebend, lautet: „Daß das Warenhaus selbst in ganz solider Weise kon struiert und ausgeführt sein soll, dürfte insofern mindestens bezweifelt werden, als die mit fünf Fensterachsen aus Kunststein massiv gebildete Vorderfassade mit dem mäch tigen Giebel in der Mitte des Gebäudes über dem ersten Stock mit Ausnahme der beiden Eckpfeiler ausschließlich auf einer zweistöckigen Metallkonstruktion -—■ nicht um mantelten walzeisernen Unterzügen und ebensolchen ge nieteten Ständern — ruht. Die eisernen Ständer haben glücklicherweise für diesmal noch standgehalten, es darf aber dabei nicht vergessen werden, daß es sich hier um ein blitzartig aufgeflackertes Feuer handelte und nur dank dem unermüdlichen Ein schreiten der Feuerlöschmannschaften die Entwicklung einer Gluthitze ausblieb, die eine Ausbiegung oder sonstige Formänderung der eisernen Ständer und Unterzüge in sichere Aussicht gestellt hätte. Die Feuerwehrleitung hat in richtiger Erkenntnis der drohenden Gefahr mit voller Energie ihre größte An strengung auf die Abschwächung der Einwirkung der Hitze auf die Metallkonstruktion gerichtet; wäre ihr dies nicht gelungen, der Einsturz der Straßenaußenwand wäre naheliegend gewesen, und wer hätte die unglücklichen Folgen abzusehen vermocht? Ob eine Asbestumhüllung der den gesamten Wohnungs einbau tragenden eisernen Ständer empfehlenswert ist, konnte auf Grund des in Rede stehenden Brandfalles