190 BAUZEITUNG Nr. 24 alten Gebäudes überhaupt zu verwerfen und es nur in seinem Bestand zu erhalten sei. Keinesfalls dürfe etwas Neues geschaffen werden, selbst wenn es auch ganz im Geist des alten Baumeisters oder nach den alten Plänen wiederaufgebaut werden könnte. Das nennen diese Herren Fälschung! Aber was wird dann mit unsern zahlreichen alten Kunstdenkmälem werden? Man denke nur an die Brunnendenkmäler und die kleineren Schmuckwerke gotischer Architektur. Flicken hält, wie die Erfahrung lehrt, nur eine beschränkte Anzahl von Jahren, und dann erfolgt der Zerfall des Denkmals um so rascher, je mehr fremde Körper: Zement, Eisenbeton, Blei und alle mög lichen andern Bindemittel angewendet werden. Was nun speziell den Otto Heinrichs-Bau anbelangt, so muß vor allem betont werden, daß die Fassade noch sehr gut erhalten, in allen Teilen aufgenommen und photo graphiert, ja sogar schon im Jahre 1880 in Gips ab geformt worden ist. Von einem Hineinpfuschen oder Erneuern nicht mehr vorhandener Teile in anderm Geist der ehemaligen Zwerchgiebel, welche 1659 erneuert wurden. Es geht ferner aus einem Vergleich der sogenannten Krausschen Giebel mit der Wetzlarer Zeichnung und den noch stehenden Resten dieser Giebel hervor, daß der Architekt nach dem Brand von 1632 diese Griebel mit Ueberresten der ursprünglichen Giebel ausgeführt hat. Man sieht bei Kraus dieselben Schnörkel, Fenster stellungen und Pilaster wie auf der Wetzlarer Skizze, nur mit dem Unterschied, daß am Giebel die Nischen- tiguren Sol und Luna fehlen. Schäfer hat in seinem Entwurf diese Figuren an ihrer jetzigen Stelle belassen, kommt damit aber aus der Achse des Giebels heraus. Bin schon von Koßmann beobachteter Umstand läßt aber erkennen, daß diese Figuren nur vorgeblendet sind und daher nicht mehr au ihrem ursprünglichen Platz stehen. Wir müssen demnach folgerichtig diese Figuren an die Giebel in eine von den beiden leerstehenden Nischen der Wetzlarer Zeichnung versetzen. Ä Saminelsclmlliaus in Stuttgart, Turnhalle (Grundriß) kann also von vornherein keine Rede sein. Die Fassade kann, wie sie ist, in der Hauptsache erhalten bleiben, und die Frage ist nur die: ist das Mauerwerk noch fähig, die beiden ursprünglichen Giebel zu tragen? Auch das wurde von verschiedenen Seiten bejaht, obgleich die Gegner der Restauration das in Abrede stellen wollen. Es ist kaum glaublich, was alles mögliche versucht worden ist, um die Griebel abzulehnen. Sie seien nicht im ursprünglichen Plan vorgesehen, ein Werk späterer Zeit und von dem Kurfürsten Friedrich V. vor 1620 wieder entfernt worden, obgleich die Giebel auf den Abbildungen von Merian von 1620 und später deutlich sichtbar sind. Auch sucht Koßmann aus der Lage der obersten Stein schichten zu beweisen, daß der Bau ursprünglich eine Balustrade trug, u. dergl. mehr. Sehr ungeschickt kam dann den Ruinenschwärmern die Auffindung der Wetzlarer Skizze im Jahre 1902; daraus ist zu ersehen, wie die Giebel im Jahr 1616 aus gesehen haben. Wir treffen dort die schon im Vertrag mit Colin aufgeführten Löwen, und was besonders wichtig ist, wir finden die Architektur der unteren Kuppel fenster und die sie trennenden Doppelpilaster in ge nauer Uebereinstimmung mit den noch stehenden Resten Die Agitation gegen die Wetzlarer Zeichnung ist übel angebracht, sie ist über allen Zweifel erhaben, wenn auch R. Alt, der Hauptagitator gegen die Bedachung, auf dem Denkmaltag ausruft: Die Forschungen über den früheren Zustand der Bedachung seien durch den Wetzlarer Fund noch lange nicht abgeschlossen. Ich halte diese Frage für abgeschlossen, die beiden hohen Giebeldächer waren vorhanden, sie gehören zum ursprünglichen Projekt und sind jedenfalls bis 1620 gestanden, sind aber dann durch Brand, man weiß nicht genau wann, vielleicht schon 1622, zerstört worden. Ein zweiter Brand fand 1632 statt, das geht aus dem Text bei Merian und andern Quellen her vor. Etwas Schwierigkeit macht die Bestimmung des Zeitpunkts der Erbauung der sog. Krausschen Giebel. Bekanntlich steht auf dem Sockel eines der Löwen auf dem Krausschen Stich die Jahrzahl 1659, welche Zahl deshalb angezweifeit wird, weil zwischen den Ziffern L und IX ein etwas größerer Zwischenraum liegt. Da nun in den Baurechnungen von 1649 die Stelle vorkommt: „Dem Zimmermann von dem Dachwerk mit sampt seinen Zwerggiebeln u.s.w, auszubessern 20011.“ und nachher: „Dem Steinmetz und Bildhauer vor den gegen dem . . . zu eingefallen halben Giebel wiederumb zu machen und