FÜR WÜRTTEMBERG BADEN HESSEN EL SAS S - LOTHRINGEN Stuttgart, 23. Februar 1907 Inhalt: Denkmalpflege und Heimatschutz, — Brücke und Oelmühle in Hirsau. — Wohnhaus in Plieningen. — Grabmal Kohllöffel in Reutlingen. — Entwurf zu einer Friedhofskapelle. — Einigungsgedanken. — Landwirtschaftliches Bauwesen in Württemberg. — Alte Grabmäler vom Hoppenlau-Friedhof Stuttgart. — Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. -— Personalien. uiK'iaau? Alle Rechte Vorbehalten Denkmalpflege und Heimatsclmtz Yon Landeskonservator Prof. Dr. Gradmann 1 ) Erst neulich wieder ist von einem wtirttembergischen Pfarramt ein altdeutsches Altarwerk zum Verkauf aus geschrieben worden. Nach dem bestehenden Recht kann eine Kirchengeraeinde verkaufen, was sie will. Vorher soll sie freilich dem Konservator Anzeige erstatten. Aber nicht einmal dies kann er erzwingen. Noch weniger vermag er unsachgemäße Ausgrabungen auf privatem Boden und Verschleppung oder Mißbrauch der Funde zu verhindern (Verarbeitung alemannischer Baumsärge zu Möbeln), zumal wenn er es erst hinterher erfährt. Zwar bestehen schon lange MinisterialvorSchriften, in denen den Schultbeißenämtern dringend empfohlen wird, vor jeder Veräußerung, Beseitigung oder Wieder herstellung von Altertumsgegenständen den Oberämtern Mitteilung zu machen, welch letztere dann eine Weiter- beförderung an das Landeskonservatorium bewerkstelligen. Aber in vielen Fällen geschieht das nicht und — Straf androhungen zum Schutze dieser Verfügungen gibt es nicht. Am besten steht es noch bei der katholischen Kirche, wo es grundsätzlich verboten ist, Altertumsgegenstände zu ver äußern, außer an andre katholische Kirchengemeinden. Allein auch hier erhält bei Wiederherstellungsarbeiten der Konservator häufig gar keine Mitteilung; die Folgen hiervon sind allerwärts zu sehen. Es ist ausdrücklich zu betonen, daß im Fall der Anzeige an das Konservatorium die Beratung völlig kostenlos erfolgt, je nach Lage der Um stände auch ein Staatsbeitrag zu den Wiederherstellungs arbeiten gegeben wird, beziehungsweise ein Ankauf des fraglichen Gegenstandes erfolgt. Der Konservator wird dabei durch eine Kommission von Architekten, Künstlern und Gelehrten unterstützt. Die gegenwärtig auf der Tagesordnung stehenden Altertumsfragen zeigen ein doppeltes Gesicht. Einerseits ist bezeichnend, daß die Bestrebungen auf diesem Gebiet seit einiger Zeit sehr in die Breite gehen; von der bloßen Denkmalpflege ist man'zum Heimatschutz übergegangen; obwohl die alten Aufgaben der Denkmalpflege noch ent fernt nicht gelöst sind, ertönt schon allenthalben der Ruf nach Heimatschutz im weitesten Sinn, d. h. nach Er haltung aller der Einzelheiten, die für unsre Heimat be zeichnend sind und uns diese lieb und wert machen. Eine Nach einem Vortrag in der Kgl. Baugewerksohule in Stutt gart mitgeteilt von Regierungshauführer H. Werner. andre Erscheinung ist das Verhalten mancher Kunst freunde, welche eine leidenschaftliche Agitation gegen das Restaurieren entfalten und fordern, daß man die Kunst werke „in Schönheit sterben“ lasse. Beide Bestrebungen sind natürlich, notwendig und bis zu einem gewissen Grad berechtigt. In Württemberg fehlt es freilich noch vielfach am Verständnis, da viele nicht begreifen können, daß auch ihre Sachen ein Denkmal darstellen. Andre treiben auf eigne Weise Denkmalpflege, die bisweilen eigenartige Ergebnisse zeitigt. Die Engländer und Franzosen, die im allgemeinen auf diesem Gebiet viel weiter voran sind, machen uns den Vorwurf, wir stecken noch in der Romantik und in der Stilrekapitulation; eine Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses oder der Hohkönigsburg wäre bei ihnen nicht möglich gewesen. Namentlich in Frankreich wird schon seit einem Jahrhundert energisch gegen den „vandalisme restaurateur“ geeifert. Zuzugeben ist, daß in Frankreich eine längere Erfahrung zu Gebot steht, während in England sich die Bestrebungen auf einer breiteren Volksschichte auf bauen. Allein eine einfache Uebertragung dieser Anschauungen auf unsre Verhältnisse, wie sie manche moderne Geister beabsichtigen, ist nicht zu empfehlen. Es handelt sich eben auch um die Er haltung unsrer altertümlichen Städtebilder. Wie sähe Nürnberg aus, wenn man dort nicht zu allen Zeiten restauriert hätte; es wäre nicht mehr Nürnberg. Es gilt also stets einen Kampf nach zwei Fronten zu führen, einerseits gegen die, welche ein Denkmal gar nicht als solches anerkennen, anderseits gegen die, welche es ein fach völlig sich selbst überlassen wollen. Vor allem muß man sich darüber klar werden, was überhaupt unter einem „Denkmal“ zu verstehen ist. Hierbei ist zunächst zu betonen, daß der Ausdruck „Denk mal“ für Altertumsgegenstände nicht glücklich gewählt ist. Ein Denkmal im landläufigen Sinn ist ein Werk, das zur Erinnerung an irgendeine Begebenheit, einen Helden aufgestellt ist, es kommt also hier weniger auf Echtheit als auf Deutlichkeit der Erinnerung an. Das Interesse, das wir an solch einem Denkmal nehmen, ist ein ethisches oder patriotisches, also zugleich ein engbegrenztes, egoistisches, da es unser Volk, unsre Heimat, unser Mitbürger ist, dem die Erinnerung gilt. Altertumsdenkmale dagegen enthalten keine bewußte Er innerung an irgendein Geschehnis; sie sind vielmehr bloß