30. März 1907 BAUZEITUNG 101 Stuttgarter Baupolizei Zu diesem in Nr. 11 unsrer Zeitschrift kritisch be leuchteten Thema ist uns aus Architekten- und Bauwerk meisterkreisen eine Reihe von Kundgebungen zugegangen, die es sämtlich freudig begrüßen, daß an ein Haupt gebrechen unsrer baupolizeilichen Einrichtungen die Sonde gelegt wurde. Wie schwer die Mißstände. empfunden werden, beweisen weitere täglich einlaufende Beiträge, die wir selbstverständlich hier im einzelnen nicht wieder geben können; wir begnügen uns heute mit nachstehender Veröffentlichung, die in ihrer schlichten, einfachen Form um so eindrucksvoller sein dürfte; sie lautet: „Geehrte Redaktion! Kgl. Baugewerkschule Stuttgart Herrn. Münz Ich lasse mir gegenwärtig ein Haus bauen, bei dessen Genehmigung die Baupolizei so viele Schwierigkeiten machte, daß ich das Vertrauen zu meinem Architekten wohl verloren hätte, wenn die Tüchtigkeit desselben nicht außer Frage gestanden wäre. Dieser Architekt nun hat mir den in Nr. 11 S. 84 Ihrer geschätzten Zeitung er schienenen Artikel ,Kritik des Stuttgarter Baupolizei wesens' zugestellt, mit Genugtuung, wie mir schien. Ich habe denselben und damit wohl die erste Fach zeitung über Bauwesen überhaupt gelesen. Wenn ich nun vom Techniker oder mit dem Bauplan vom Ratschreiber. So viel ist auch dem Laien klar, solche Zustände be dürfen dringend der Abstellung. Hochachtungsvoll X. Y.“ Kgl. Baugewerkschule Stuttgart. Landhaus auch manches in dem Artikel nicht verstehe, so ist mir doch so viel klar, daß ich in dem Schreiber desselben einen Leidensgefährten vor mir habe, und ich mußte mich im stillen fragen, wie viele solcher werden es wohl bei der umfangreichen Bautätigkeit der Stadt jährlich sein. Wo bleibt da die Oberaufsicht? Es ist doch nicht wohl zu denken, daß solche Zustände statthaft sind oder gar gewünscht werden. Ich darf wohl annehmen, daß die selben unserm Stadtvorstand nicht bekannt sind, denn wo sollte es hinführen, wenn Beamten Kompetenzen zu kämen in einem Berufe, welchen sie nicht gelernt haben, d. h. mit welchem sie nur durch das Studium der seine Ausübung beschränkenden Gesetzesbestimmungen und ähnlicher Hebungen bekannt geworden sind. Anderseits ist allerdings kaum zu glauben, daß ein Beamter, ein Ratschreiber seinen Geschäftskreis auf ein ihm nicht zukommendes Gebiet erweitert, ohne hierzu das Einver ständnis seines Vorgesetzten zu haben. Das letztere scheint fast der Fall zu sein, denn man kann sich auch während des Bauens nicht Rats bei dem zuständigen Techniker erholen. Ich habe das zweimal versucht, wurde aber immer mit der stereotypen Antwort entlassen: ,Ich be- daure, die Bauakten sind mir nicht zuhanden.' Auf meine Frage, wo dieselben sich wohl befänden: ,Dieses können Sie bei der Ratschreiberei für Baupolizeisachen erfahren.' Ich bin nun wirklich begierig, ob die vorgeschriebene Kontrolle meines Baues ohne Bauplan vorgenommen wird Saiiggaskraftaiilagen Die seither strittige Frage, ob Sauggasanlagen (ebenso wie die früheren Halbwassergas-, Mischgas-, Dowsongas-, Druckgasanlagen) als Gasbereitungs- bezw. Gas bewahrungsanstalten und damit als gewerbepolizei lich genehmigungspflichtige Anlagen anzusehen sind, hat das Ministerium des Innern nunmehr mit Erlaß vom 4. Februar d. J. verneinend entschieden. Gleich zeitig hat das Ministerium Grundsätze für die zu erteilenden polizeilichen Vorschriften bekanntgegeben. Der Erlaß lautet: Die in neuerer Zeit vielfach eingerichteten Saug gaskraftanlagen fallen nach der Auffassung des Ministeriums des Innern nicht unter die nach § 16 der Gewerbeordnung genehmigungspflichtigen An lagen. Dagegen bedürfen die Sauggaskraftanlagen als Feuerungseinrichtungen (Art. 51, 52 und 79 der Bauordnung) der baupolizeilichen Genehmigung. Es sind daher in das polizeiliche Erkenntnis, vor dessen Erteilung, soweit es sich um gewerbliche Anlagen Herrn. Münz handelt, der Gewerbeinspektor zu hören ist (vergl. den Ministerialerlaß vom heutigen Tage betreffend die baupolizeiliche Behandlung der Bauten von Fabriken und ähnlichen gewerblichen Anlagen, Minist. Amtsbl. S. 41 *), die im Interesse der Feuersicherheit wie auch des Arbeiter schutzes gebotenen Vorschriften aufzunehmen. Hierbei H Siehe „Bauzeitung für Württemberg etc.“ Nr. 11. Kgl. Baugewerkschule Stuttgart G. Frank