156 BAUZEITUNG Nr. 20 Augen für diese Schönheiten zu öffnen und dafür zu sorgen, daß sie möglichst erhalten werden. Aber auch in Abs. 2 handelt es sich bloß um die Zulassung einer suasorischen Einwirkung der Baupolizeibehörden auf die Eigentümer der in Frage stehenden Bauwerke. Weiter geht der Abs. 3, indem er die Baupolizei- behörden ermächtigt, die Ausführung von Bauten, welche ein eigenartiges, einem Orte zur Zierde gereichendes Straßen-, Platz- oder Laud- schaftsbild in auffälliger Weise verunstalten würden, zu untersagen. Zwar ist auch hinsichtlich des Vorhandenseins einer Verunstaltung die Möglichkeit subjektiver Meinungsverschiedenheiten und eines zeit lichen Wechsels der Anschauungen nicht ausgeschlossen. Aber im allgemeinen wird doch darüber, ob eine auf fällige Verunstaltung eines Bildes, also eine das Schön heitsempfinden gröblich verletzende und peinlich be rührende Beeinträchtigung vorliegt, zur jeweils gegebenen Zeit eine einheitliche Auffassung bei der weitaus über wiegenden Mehrheit sowohl der Laien als der Kunst verständigen bestehen. Ob diese Voraussetzung im einzelnen Falle zu trifft, wird auch die Baupolizeibehörde nach Einziehung sachverständiger Begutachtung zu be urteilen in der Lage sein. Wo aber jene Voraussetzung zutrifft, erscheint es nicht gerechtfertigt, das öffentliche Interesse der Erhaltung schöner Landschafts- und Straßen bilder dem Eigensinn oder der Böswilligkeit eines einzelnen preiszugeben. Durch die auf Grund des Art. 55 zu erteilenden (ästhetischen) Vorschriften sollen den Bauenden in der Regel nennenswerte Mehrkosten nicht entstehen. Ueber- haupt soll der allgemeine Grundsatz gelten, daß bei Durch führung der Vorschriften Härten jeder Art einerseits unter nüchterner Abwägung der neuzeitlichen Bedürfnisse, ander seits unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Bauenden nach Tunlichkeit zu vermeiden sind. Zur richtigen und ersprießlichen Hand habung der Vorschriften des Art. 55 und der Vollzugsvorschriften müssen auch die richtigen Sachverstän digen aufgestellt werden. Die ge wöhnlichen technischen Berater der Baupolizeibehörden sind hierzu nicht durchweg geeignet. Es wird daher anzuordnen sein, daß in allen wich tigeren Fällen des Art. 55 das Gut achten einer von der Regierungs behörde berufenen oder gutgeheißenen örtlichen Künstlerkommission oder eines hierzu zu berufenden Baukunst sachverständigen einzuholen ist. Ein solcher für das ganze Land auf zustellender Sachverständiger hätte die Aufgabe, das Baupolizeiwesen ein schließlich der Feststellung der Orts baupläne (zu vergl. die höchst be achtenswerten Ausführungen des Geh. Oberbaurats Hofmann-Darmstadt auf dem vierten Denkmaltag in Erfurt 1903) und die Schutzmaßregeln für künst lerisch und geschichtlich wertvolle Bauten zutreffendenfalls im Benehmen mit dem Landeskonservator für vater ländische Altertümer und die dem selben beigegebene Kommission in künstlerischer Beziehung zu über wachen, das Ministerium des Innern, die ordentlichen Baupolizeibehörden und die Bauenden in Fragen des Art. 55 zu beraten und Anregungen zur Pflege und Förderung einer schönen, einfachen, charakteristischen und volks tümlichen Bauweise im ganzen Lande zu gehen. Zu dessen Unterstützung und zur Entscheidung schwierigerer Fragen wird die nebenamtliche Be rufung eines Landeskunstrats, be stehend aus Vertretern der Baukunst und der Kunstgeschichte, in Frage zu kommen haben. Die Zusammensetzung und Geschäftsordnung dieses Be ratungskörpers hätte das Ministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens zu bestimmen. Oertliche Kunstsachverständigenkommis sionen zur Beratung der Baupolizeibehörden in den einschlägigen Fragen sollten überall, wo ein Bedürfnis besteht, aufgestellt werden, wenn es auch namentlich in kleineren Orten zuweilen schwer halten wird, die nötige Zahl unabhängiger Leute für solche Kommissionen zu finden, zu welchen mangels berufsmäßig gebildeter Sach verständiger oder neben solchen etwa nach dem Vor schläge des Professors Dr. Weber in Jena auf der General versammlung des Thüringischen Städtetages im Juni 1902 machte, Vertreter der Geistlichkeit und Lehrerschaft, Kunst- und Altertumsfreunde u. dergl. zuzuziehen wären, die „viel gereist und gesehen haben und die so viel eignes Evang. Kirche in Königsberg a. Eger Architekten Eisenlohr & Weigle, Oberbauräte, Stuttgart