FÜR WÜRTTEMBERG BADEN HESSEN EL SAS S - LOTHRINGEN Stuttgart, 27. Juli 1907 Inhalt: Backsteinbau und Denkmalpflege. — Mißerfolge bei Anwendung von Eisenbeton im Hochbau. Denkmäler volkstümlicher Kunst in Württemberg. — Vereinamitteilnngen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — ßü Alle Rechte Vorbehalten Backsteinhau und Den Von Prof. Otto Stiehl-Ber' Die Besprechung des Verhältnisses zwischen Bäck steinbau und Denkmalpflege bietet zwei wesentlich ge trennte Seiten des Gegenstandes, die ich einfach als eine erfreulichere und eine unerfreulichere bezeichnen möchte. Als die erste sehe ich die Handhabung des Backstein baues an, wie sie bei der Wiederherstellung alter Bau werke in Frage kommt, die zweite betrifft die Rolle, die die heutige Backsteinbauweise in der Umgebung alter Denkmäler, im Städtebild und auch im Landschaftsbilde spielt. Bei Besprechung dessen, was alten Backsteinhauten, die wiederhergestellt werden müssen, guttut, wird sich, wie ich hoffe, ein gewisser Ueberblick über die technischen Bedingungen ergeben, durch welche die gute Wirkung des Ziegelbaues bedingt ist. Es empfiehlt sich daher, diese Besprechung vorwegzunehmen, und sie mag uns mit ihrem Ergebnisse zugleich Mut machen, an jenen zweiten Teil unsrer Aufgabe heranzugehen. Als man die Wiederherstellung alter Backsteinbauten in größerem Maßstabe begann, hatte man noch mehr als bei Werkstein- und Putzbauten damit zu kämpfen, daß sich die Bearbeitungsweise der Rohstoffe gegen das Mittel- alter geändert hatte. Denn es handelte sich hier nicht nur um eine andre Art der Handwerksübung, sondern an Stelle der Handarbeit hatte überhaupt die Maschine das Formen des Tones zu Verblendsteinen übernommen. Sie lieferte Steine, die sich durch große Sauberkeit der Oberflächen und durch große Reinheit und Gleichmäßig keit der Färbung auszeichneten. Aber so stolz man auf den damit erzielten technischen Fortschritt auch war — wenn man diese Steine bei Ausbesserungen und bei An bauten in die Nachbarschaft der alten Steine brachte, so störten sie empfindlich die schöne Wirkung der alten Mauerflächen. Die beim einzelnen Stein und in der Hand zunächst so verführerisch saubere glatte Oberfläche wirkte auf nahe Entfernung reizlos gegen das feine Spiel der Lichter und Schatten, das die alten Handstrichsteine besaßen, und die scharfe Reinheit der Farben ließ die neuen Steine sich rettungslos als andersfarbige Flicken von ihrer Umgebung abheben. Auch die Hoffnung, daß die Zeit und der Ansatz von Ruß und Patina die ge störte Einheit hersteilen möchten, erfüllte sich nicht. Die glatte Oberhaut und die Dichtigkeit des Stoffes ließ eine *) Auszug aus einem Vortrag, gehalten auf dem 7. Tage für Denkmalpflege zu Braunschweig. solche Dämpfung^TtesT schreienden Eindrucks nicht auf- kommen. So verwandelte sich der unzweifelhaft tech nische Fortschritt in einen unerträglichen künstlerischen Nachteil. Aber auch, wenn die Witterung mehr Einfluß auf diese Steine gehabt hätte, sie wären ihren Vorbildern doch nicht gleich geworden, denn es fehlten ihnen weitere künstlerisch wertvolle Eigenschaften, die diese besaßen. Gerade durch den Vergleich nebeneinander liegender Teile wird man sich bewußt, wie die schöne Farbenwirkung der alten Backsteinbauten gerade darin beruht, daß ihre Steine eben nicht so lebhaft gefärbt sind wie unsre so genannten „feinen“ Verblender, daß sie vor allem nicht so gleichmäßig getönt sind wie diese, sondern in oft weitgesteckten Grenzen am selben Bau von gelblichen bis zu tiefroten Tönen unregelmäßig wechseln. Gerade da durch passen sich diese Bauten so wie selbstverständlich jeder Umgebung ein, daß sie die Kraft der Farbe durch das Spiel verschiedener Töne beleben und zugleich brechen. Es entspricht das durchaus den Verhältnissen der Natur, welche größere Flächen von einheitlicher Farbengebung gar nicht kennt, sondern überall, auf Laubmassen und Wiesenflächen, an Bergwänden, auf dem Wasser, ja selbst auf öden Straßenflächen, ein Spielen verschiedener Farben töne erzeugt, durch das die abweichendsten Färbungen zusammengestimmt werden. Indem man ferner für Ergänzungen alter Bauten wieder Steine herstellte, die in der Größe zu den alten paßten, lernte man wieder den Wert des größeren Formates gegenüber dem heutigen kleinen Normalziegel schätzen. Er liegt einerseits in der ruhigeren und wuchtigeren Er scheinung der durch weniger Fugen geteilten glatten Flächen, anderseits in dem kräftigeren Maßstabe der Einzelgliederungen. Das sind Eigenschaften, die für monumentale Bauten, besonders für Kirchen, sehr wert voll sind. Alle diese Vorzüge wieder sich zu eigen zu machen, ist nicht leicht gewesen. Vielerlei Versuche und Mühen waren dazu erforderlich. Denn merkwürdigerweise verhielten und verhalten sich weitaus die meisten der Ziegler gegen diese künstlerischen Verbesserungen durchaus ablehnend. Wenn noch ein über das Erreichte hinausgehender Wunsch auszu sprechen ist, so geht er auf einen lebhafteren Farben wechsel der Steine. Denn darin sind die Leistungen der Alten noch nicht erreicht; die heutigen Lieferungen fallen