234 BAUZEITUNG Nr. 30 unter dem Einfluß des heutigen Brennverfahrens meistens noch zu gleichmäßig aus. Der Einfluß der Denkmalpflege und der in ihr ge machten Erfahrungen hat nun zur Aufnahme dieser Ziegel behandlung in weiteren Kreisen geführt. Nicht etwa, weil diese Werkverfahren einen altertümlichen Eindruck machen, wie eine dilettantische, mit sonderbarer Hart näckigkeit immer wiederkehrende Auffassung behaupten möchte, sondern weil sie eine schönere Wirkung ergeben. Ein wesentlich andres Bild bietet sich uns, wenn wir uns die Bolle vergegenwärtigen, die der heutige Back steinbau als Bestandteil der Städtebilder, also als Nach bar älterer Denkmäler spielt. Hier ist die Lage zurzeit so, daß weite Kreise dazu neigen, die sichtbare Ver wendung von Backstein als kunstfeindlich anzusehen und die Frage nach diesem Zusammenhänge von Backsteinbau und Denkmalpflege ebenso kurz wie gründlich zu beant worten: „Verboten muß er werden!“ Ja, man hat diesen so einfachen Weg wiederholt schon beschritten. Eine Reihe von süddeutschen Städten hat, wenigstens für die künstlerisch wichtigsten Stadtgegenden, die Anwendung des Backsteinbaues ausgeschlossen, zum Teil angeregt dazu durch die Beschlüsse, die der Denkmaltag in Mainz zum Schutze wertvoller Stadt- und Straßenbilder gefaßt hatte. So bestimmt ein erst im Juli 1905 erlassenes Ortsstatut in Darmstadt unter anderm wörtlich folgendes: „Zement-, Back- und Blendsteine sollen zur Bildung vortretender Architekturteile nicht verwendet werden, auch die Verwendung von Back- und Blendsteinen soll für ausgedehnte Fassadenflächen nicht stattfinden.“ Das wird dann weiter erläutert wie folgt: „es soll nur ver mieden werden, daß mit Ziegeln als solchen sowie andern Kunststeinen eine Wirkung erzielt wird.“ Sobald man die Ziegel nämlich dünn „in Münchner Art“ überschlemmt, darf man sie verwenden. Ich bemerke dazu, daß der Wortlaut deutlich er kennen läßt, wie wesentlich die Farbe des Backsteins den Grund für sein Verbot bildet, denn dünn überschlemmt darf er ja verwendet werden! Die in solchen Bestim mungen ausgesprochene schroffe Abweisung des Back steins entspricht zweifellos einem ziemlich weitverbreiteten Widerwillen,, wenngleich nicht viele so weit gehen werden, ihn schnöde mit dem Zement auf gleiche Stufe zu stellen, der als elendester Ersatz des Hausteines der Schrecken jedes gesund schaffenden Architekten ist. Diese Abneigung teile ich keineswegs, halte vielmehr den Backstein für einen künstlerisch höchst wertvollen und für viele Zwecke ganz unersetzlichen Baustoff, der einen Stimmungsgehalt von größter Tiefe vor andern auszudrücken vermag. Trotzdem liegt es mir fern, den Backstein in seiner jetzigen überwiegenden Verwendungs art als tadellos, als den „Stein der Weisen“ zu preisen, der alles andre Baumaterial an Schönheit übertrifft. Damit würde ich taube Ohren finden, und mit Recht. Das sind Einseitigkeiten, die der geschäftlichen Reklame überlassen bleiben sollten und mit denen man der Sache des Back steinbaues bei Einsichtigen mehr schaden wird als nutzen. Wohl aber möchte ich bitten, mit mir die Frage zu prüfen, ob nicht die Abneigung, die sich bis zu völligem Verbote steigert, nach der andern Seite hin zu weit geht und den Bestrebungen des Denkmal- und Heimatschutzes schließ lich abträglich ist. Erklären kann sich auch der Freund des Backstein baues den lebhaften, ihm gezollten Widerwillen, wenn er so manchen Fehlgriff sieht, der in den letzten Jahrzehnten geschehen ist. Ich möchte hier nicht sprechen von der Roheit, mit der sich die ärmere Landbevölkerung gar nicht so selten ihre Häuser aus schlechten Hintermauerungssteinen er richtet, die nach Form und Farbe, unsauber und düster, das schönste Straßenbild eines freundlichen Dorfes ver derben. Diese nur aus Dürftigkeit hervorgehende arm selige Bauweise scheidet als reine Sache der Nützlichkeit von jeder künstlerischen Betrachtung ganz aus. Man tut unrecht, wenn man auf Grund solcher Dinge sich gegen den Backsteinbau als Kunstmittel wendet. Aber welcher Freund unsrer alten Denkmäler hätte es nicht schon ästhetisch als einen wahren Schlag empfun den, wenn etwa am Markte einer schönen alten Stadt sich in die Reihe der schlicht malerischen Bürgerhäuser plötzlich ein grellroter oder scharfgelber Ziegelbau dem Auge aufdrängt, hart und roh in der Farbe, grob und nüchtern und dabei anspruchsvoll in seiner Formgebung. Wen hätte nicht schon der Unwille gefaßt, wenn er in lieblicher Mittelgebirgslandschaft oder an den schönen Ufern unsrer Ströme mächtige Kästen sich erheben sieht aus grellfarbigem Baustoffe, die mit ihren ungefügen, flach abgedeckten Massen die Schönheit der Landschaft und die Wirkung benachbarter Denkmäler schwer schädigen. Ein besonderes Beispiel solcher Art bietet die schöne alte Stadt Kulmbach, ein Beispiel, das freilich auch zeigt, wie leicht Trugschlüsse zustande kommen, wenn man die ganze Schuld an solchen Unerfreulichkeiten auf den Back stein wirft. Wenn man dort auf der schönen Plassen- burg hoch über der alten Stadt steht und über die male rischen, feingegliederten Giebel und Dächer hinweg in das herrliche Maintal hinausschaut, wird man nicht gerade entzückt sein von dem runden Dutzend roter Aktien brauereien, die rings um die Stadt herum sich nieder gelassen haben. Sie fallen mit ihren riesigen Gebäuden, den flachen Holzzementdächern und nüchternen Schorn steinen gründlich aus dem Maßstabe des schönen Stadt bildes wie der Umgebung heraus. Man wird freilich auch bemerken, daß eine dreizehnte gleiche Industriestätte, die an den Außenwänden mit Kalkputz überzogen ist, in ihrer gleichen, ebenfalls durch ein Holzzementdach ab geschlossenen Kastenform nicht etwa lieblicher, sondern nur noch düsterer und unfreundlicher sich ausnimmt als ihre mit Backstein verblendeten Genossen. Und diese Wahrnehmung führt uns gleich darauf, daß der Back steinbau in seinem künstlerischen Ruf so manche Sünden mitbtißen muß, die nicht ihm, sondern der kunstwidrig nüchternen Auffassung wirtschaftlicher Aufgaben zuzu schreiben sind. Weil er wegen seiner außerordentlich praktischen Vorzüge in weitgehendem Maße für sogenannte reine Nützlichkeitszwecke, Fabrikanlagen u. dergh, ange wendet worden ist und dabei in Gegenden vordrang, in denen man vorher w r eder Fabriken noch Backsteinbau kannte, so mißt man ihm die Schuld bei an der ganzen Schädigung, die zum größten Teile doch dadurch hervor gerufen ist, daß bei Errichtung solcher industrieller An lagen zumeist jede künstlerische Rücksicht beiseitegesetzt wurde. Freilich reicht diese Erklärung nicht für alle Fälle aus, und es bleibt auch bei Bauten, die einen höheren Rang beanspruchen, bei Schulen, Wohnhäusern u. dergh, oft genug Grund, den Backsteinbau als Mißton im Ver gleich zu seiner Umgebung zu empfinden. Ehe man ihm aber deswegen in Bausch und Bogen den Krieg erklärt, ist es wohl gut, sich die Frage vorzulegen, ob denn diese Mißstände notwendig mit ihm verbunden sind, und zweitens, ob durch einen solchen Krieg eine Besserung der Ver hältnisse herbeigeftihrt werden kann. Auf die erste grundsätzliche Frage erhalten wir meines Erachtens eine entscheidende Antwort, wenn wir uns in all den Ländern umsehen, die in älterer Zeit eine blühende Backsteinbaukunst hervorgebracht haben. Die Gegenden am Niederrhein, fast ganz Norddeutschland von der See küste bis nach Schlesien und Thüringen hinein, Dänemark und Oberitalien sind solche Länder. In ihnen empfindet man keineswegs die Denkmäler dieser Kunst als Stören friede im Stadt- und Landschaftsbilde. Das liegt nicht etwa daran, daß das ganze Wesen der dortigen Städte durch den Backsteinbau bestimmt würde. Das mag im