28. März 1914 BAUZEITUNG 99 aber sie alle sind ebenso wie die neu geschaffenen Bau beratungsstellen, die speziell dem Baugewerbe helfen wol len, manchen Anfeindungen ausgesetzt. Erlassene Preisausschreibungen und gezahlte Prämien für vorbildliche Neuschöpfungen der Fassaden und ihrer Ausschmückung, wie solche in Cöln (jährlich 5000 M.), Frankfurt a. O. (jährlich 1000 M.), Wien (jährl. 10000 M.), Barmen, Braunschweig und anderen Orten bereitgestellt werden, mögen zu guten Einzelleistungen aneifern, in der Gesamtheit betrachtet fehlt aber noch viel. Nachdem einmal auf einer Pariser Weltausstellung unsere deutschen Leistungen das Prädikat „billig und schlecht“ erhielten, nachdem das Ornament entwertet und durch die fabrikmäßige Herstellung geradezu unerträglich nisse geben noch lange nicht das, was frühere Kunst epochen ihrer Zeit aufzuprägen verstanden. Unseren Ein richtungen fehlt noch immer das umschließende Band der Behaglichkeit, sie sind zu offiziell, zu ernst und nichts sagend. Recht treffend sagt ein französischer Bericht von unseren Räumen: das scheinen Zimmer zu sein für Frauen, die der Liebe und dem Leben entsagen. Das Sehnen nach Behaglichkeit und Wohnlichkeit ist bei Tausenden vorhanden und es geht ja zum Teil schon der Erfüllung entgegen, durch die Förderung des Einzel hauses, der Gartenstadtbewegung, dem Wunsche nach Ausgestaltung unserer Hausgärten und Schaffung prak tisch nutzbarer Volksparke. Wertvoll und charakteristisch erscheint die mit frischer Schulhaus Köngen Wettbewerbs-Entwurf Schaubild und Erdgeschoßgrundriß Verfasser: Architekt Adolf Hornung-Eßlingen wurde, setzte zwar eine starke Reaktion ein, aber sie schoß weit über das Ziel hinaus, und es mögen sich diese freuen, die in ruhiger Fahrt auf geradem Wege weiter gestrebt haben. „Wir sind nicht mehr imstande, ein vernünftiges Ornament zu schaffen“, behauptete kürzlich noch ein be deutender Künstler, und wir müssen ihm recht geben, wenn wir daraufhin die verfehlte Plastik der meisten unse rer Bauten anschauen. Die figürliche Plastik hat sich ge radezu zu einem chronischen Katarrh ausgebildet, immer und überall die Amoretten, oft noch in schauerlicher Durchbildung, nackte Weiber und undefinierbare Gestal ten in die Fläche der Fassaden der billigen Miets- und Ge schäftshäuser „hineinkomponiert“, müssen den einiger maßen Empfindenden abstoßen. Mit der künstlerisch zweckmäßigen Ausgestaltung der Innenräume ist es — immer im großen ganzen betrachtet — noch nicht viel besser, und das ist um so bedauerlicher, weil uns Deutschen ein besonderes Gemüt für wohnliche Räume eigen ist. Die meisten unserer modernen Erzeug- Kraft einsetzende Heimschutzbewegung, die bestrebt ist, Natur- und Kunstdenkmäler zu schützen und zu erhalten; sie richtet sich ferner gegen die Verunstaltung der Häu ser, Straßen und Plätze durch Plakate, Plastik und Schau kasten, Lichtreklame u. v. m. und wünscht, daß bei Be bauungsplänen die gerade Straße nicht allein maßgebend wird, daß die Hinterfronten der Häuser, besonders auch wenn nach öffentlichen Wegen und den Bahnlinien zuge wandt, eine sorgfältigere Ausbildung erfahren, daß Bau zäune ein angenehmes Aeußere erhalten u. a. m. Diese Bestrebungen werden von allen Seiten unterstützt und das tut der Aufwärtsentwicklung unserer ganzen Kunstgebiete bitter not. Künstler und Handwerker müssen sich die Hände reichen zur gemeinsamen Werktüchtigkeit, das deutsche Volk aber muß dazu erzogen werden, diese zu verstehen und den Bund zu fördern Dazu wird die Werk bund-Ausstellung 1914 in Cöln wesentlich beitragen können,