1. August 1914 BAUZEITUNO 243 hervor. Das Bauwerk dreht sich unter der Wirkung von K um den sogenannten momentanen Drehpunkt M; die auf das Bauwerk wirkende Kräfteverteilung ist durch das nebenstehende Schaubild gegeben. Die Kräfte Pi, Pz, Pa, sowie der Abstand k sind unter zu Grundelegung der beiden Bedingungsgleichungen für jeden einzelnen Fall zu ermitteln: 1. Die Summe aller Kräfte P muß gleich sein der Stoßkraft K. 2. Das Moment der Kräfte P und der Kraft K in Bezug auf Punkt M muß gleich Null sein. Aus diesen beiden Bedingungsgleichungen findet man die Winkelbeschleunigung ^ und den Abstand k. Was die Bauweise betrifft, so gelten folgende Haupt sätze: Man stelle das Bauwerk auf möglichst festen und ebenen Boden, die beste Fundierung ist auf anstehendes Felsgestein, in der breiten Ebene. Man stelle das Bauwerk möglichst so, daß die lange Seite des Baues auf das Epi zentrum zuweist. Man bilde das Bauwerk als ein zusammenhängendes Ganzes aus; zum mindesten die Seiten, auf die der Stoß senkrecht trifft. Man baue unten massig, nach oben zu leichter; schwere Dächer oder große Nutzlasten in den oberen Stockwerken sind besonders zu vermeiden. Man richte die Deckenkonstruktion so ein und mache sie so kräftig, daß die Decke eine gute Versteifung der Wände gegeneinander bildet. Man achte bei der Anordnung der Räume, Einteilung der Flächen etc. besonders darauf, daß das maximale Mo ment in der durch den Punkt M gehenden Geraden a — a auftritt. Man schränke sich mit der Höhe des Bauwerkes ein, soweit es nur irgend die Umstände erlauben, und ziehe es vor, mehr in die Breite als in die Höhe zu bauen. ln neuester Zeit sind die Amerikaner noch einen Schritt weiter gegangen: sie fügen zwischen Fundament und eigentlichem Bau eine trennende Fuge ein, entweder in Form einer Gleitfläche oder eines paßend ausgebildeten Kugellagers. Sie verfolgen hier das Prinzip, das auch beim Seismographen zur Darstellung kommt, den eigentlichen Bau während der Bewegung des Bodens möglichst unge stört d. i. in Ruhe zu lassen, was er ja vermöge seines Be harrungsvermögens zu tun bestrebt ist. Am besten hierzu dürften die Kugellager geeignet sein, weil sie die Er schütterung des Bodens auf ein Minimum reduzieren, und weil sie außerdem es erlauben, die Größe dieses Mini mums von vornherein innerhalb guter Grenzen anzugeben. Die Stoßkraft wird dann nämlich = <p ■ G, wor bei guten Kugellagern anähernd 0,002 und G das Gewicht des Bau werkes ist. In der Praxis muß man natürlich einen anderen Wert <p, also etwa das zehnfache = 0,02 nehmen, um auch iden unvermeidlichen Ungenauigkeiten Rechnung zu tra gen. Im ganzen kann bei dem Stand der heutigen Technik gesagt werden, daß unter Berücksichtigung des oben Dar gelegten und Anwendung eines praktisch konstruierten Kugellagers Katastrophen wie in Messina vollständig ver mieden werden können. Dipl.-lng. L. Kohl. Von herabstürzenden Qerüstteilen verletzt sk. Der Neubau des Reichsbankgebäudes in der Wilhelmstraße 12 in Posen war bereits vollendet und das Gerüst entfernt, als sich im Dezember noch einige Klemp nerarbeiten nötig machten, insbesondere das Anbringen der Regenabflußrohre. Der Maurermeister Lud. Sichert, der den Hauptteil der Bauarbeiten ausgeführt hatte, ließ daher am 12. Dezember 1912 von seinem Polier Sieben hahn nochmals ein Gerüst aufstellen, was dieser mit Hilfe zweier Maurer besorgte. Es wurden an den Rüstbäumen Streichstangen befestigt und darüber Gerüstriegel und Laufbretter gelegt. Die Verbindung geschah durch Draht- Seilverschnürung unter Verwendung von Haken und Oesen. Am 13. Dezember arbeitete der Klempner bereits auf dem Gerüste. In der Nacht zum folgenden Tage herrschte ein furchtbarer Regensturm. Als der Klempner am nächsten Morgen sich mit seinem Kohlenbecken schon auf dem Gerüst befand, löste sich plötzlich ein Haken aus der Oese und eine Streichbohle rutschte ab. Der Klemp ner konnte sich durch einen Sprung ins Fenster vor dem Absturz retten, die Laufbretter und das Kohlenbecken fielen aber auf die Straße hinab und trafen den Hauptmann