Abteilung VI. entsprechend damals offene Dachstühle hatten. Die Hochwände, vor allem der Triumphbogen, die Querschiffwände und die Apsis gaben genügend Raum für eine Manifestation der Gedankenwelt, die den ganzen Bau erfüllte. Die Flächen waren nach antiker Art in Streifen geteilt, in denen Einzel szenen aus der Heiligen Geschichte stets besonders umrahmt nebeneinander dargestellt wurden. Rund felder zeigten Bilder von Päpsten und Märtyrern, symbolische Figuren, Engelsgestalten, Bilder von Christus und den Aposteln. Daneben erscheinen große Schriftbänder und reiches Rankenwerk in prachtvollem Mosaik an den Wänden des Quer schiffs und der Apsis. Kostbare Vorhänge, ein reicher Fußbodenbelag und prunkvolle Ciborien und Schranken vervollständigten die reiche Aus stattung. Die bis zu einer höchsten Fülle ge steigerte Pracht ist für die konstantinische Zeit bezeichnend. Der vielfarbige Eindruck wurde vol lends blendend bei abendlicher Beleuchtung, wenn die vielen Ampeln und Kandelaber brannten, der Marmor funkelte und aus dem Grund der Mo saiken die feierlichen Figuren hervorleuchteten. Tafel 6. Kirche S. Agnese bei Rom. Im allgemeinen war es in Rom nicht üblich, zwei geschossige christliche Basiliken zu errichten. Hier ist die Empore auch an der westlichen Schmal wand herumgeführt. Die Emporen, deren Säulen zum erstenmal Kämpferstücke tragen (vgl. Fig. 4—7). stammen, wie die noch erhaltenen Apsismosaiken erst aus dem 7. Jahrhundert, offenbar im Anschluß an Konstantinopel, das in Rom vom Ende des 6. bis ins 9. Jahrhundert seinen Einfluß geltend machte. Tafel 7. S. ClementeinRom. Normale drei- schiffige Basilika ohne Querschiff. Davor ist in alter Zeit ein Vorhof, Atrium, gewöhnlich mit Säulen umstellt. So war’s auch bei Alt-St.-Peter (Tafel 2, 2). In der Mitte stand ein Brunnen, an dem sich der Gläubige vor dem Eintritt in die Kirche waschen mußte — man vergleicht gerne damit die noch heute im Orient übliche Einrich tung in mohammedanischen Moscheen, und man bemerkt nebenbei, daß das Weihwasserbecken am Eingang unserer katholischen Kirchen nichts an deres ist als der Rest dieses Brunnens, und die Benetzung ein symbolischer Akt der Reinigung vor dem Besuch der heiligen Stätte. Der Nar thex ist die eigentliche Vorhalle. Er bleibt be stehen, auch wenn das Atrium wegfällt, als Aufent haltsort für die Büßenden, die nicht am Meßopfer teilnehmen durften. Der Bau von S. Clemente stammt in der Haupt sache erst aus dem 12. Jahrhundert. Aber er ist interessant, weil ein großer Teil der alten Ein 67 richtung und auch Schmuckteile aus der älteren Kirche, deren Reste darunter liegen, wieder ver wendet sind. Fig. 3 zeigt den von niedrigen Schranken (Cancelli) umgebenen Platz in der Mitte der Kirche mit den beiden Ambonen = Vorlese pulten, links der Evangelien, rechts der Epistel ambon (vgl. Fig. 5 u. ö). Man bemerkt dabei, daß unser heutiges Wort »Kanzel« von dieser Einrich tung abgeleitet ist, weil an den Schranken = »Can celli« das Wort Gottes verlesen wurde. Dahinter steht, nochmals durch Schranken abgetrennt, der Altar erhöht auf Stufen. Man sieht in Fig. 1 ein vergittertes Fenster darunter: die Transenna, das ist eine durchbrochene Marmorplatte, die Ein blick gewährt in das Innere des Altars — in die Confessio — wie der Raum unter dem Altar heißt, wo sich entweder das Grab oder der Reli quienschrein eines Heiligen befindet. Es war wünschenswert, daß die Gläubigen die heiligen Reste sehen, ja berühren konnten. Die Vereini gung von Altar und Reliquienschrein ist seit dem 4. Jahrhundert üblich, so daß ohne Reliquien in der Folgezeit ein Altar überhaupt nicht mehr denk bar war. Daher müssen auch heute noch in allen Altären der römischen Kirche Reliquien einge schlossen werden. Bei größeren Anlagen, wenn etwa mehrere Märtyrerleiber aufzunehmen waren, führte die Einrichtung der Confessio zur Krypta. Die Gräber oder Reliquien liegen tief unten, die Gläubigen steigen zu ihnen hinab und verrichten dort ihre Andacht. In der alten Kirche steht der Priester hinter dem Altar (in Fig. 3 bei a); er blickt also gegen die Gemeinde. Über dem Altar erhebt sich ein Ciborium, oft von kostbarstem Material. Da hinter in der Apsis sind die Sitze für die Priester und in der Mitte die Cathedra des Bischofs (vgl. die Grundrisse Tafel 2, 2; 3, 3; 8, 2—7). Die bei den Kapellen neben der Apsis entsprechen den Plätzen der Prothesis und des Diakonikon. Tafel 8. Altchristliche Kirchen. Fig. 1. S. Lorenzo bei Rom. Eine Basilika, die ursprünglich aus zwei getrennten Kirchen, die nicht genau in einer Achse standen, zusammen gefügt worden ist. Der ältere Teil (schwarz) über dem tiefliegenden Grab des Laurentius stammt aus dem 4. Jahrhundert. Der westliche wurde im 5. Jahrhundert so daran gefügt, daß beide Apsiden sich berührten und der Altar der neuen Kirche dem Heiligengrab möglichst nahe gerückt war. Später erhielt der alte Bau Emporen, und erst zwi schen 1216 bis 1227 wurden beide Kirchen vereinigt. Die alte wurde zum Chor für die neue, wobei durch Einziehung eines neuen Bodens das Erdgeschoß und die Seitenschiffe stark beengt worden sind. .68