Abteilung VII. Akanthus frei schaltet, Perlschnüre auf die Blatt rippen und zur Füllung dazwischen anbringt, immer mehr auf eine gesättigte^Komposition bedacht, als auf eine formschöne Linienführung, Kraft und Phantasie aber wundervoll vereinend. Tafel 72. Kapitelle von Speyer. Offenbar nach einem echten spätrömischen Vorbild nach gezeichnetes Kelchkapitell, vielleicht in Zusammen hang zu bringen mit der »Renaissance«, die in Burgund und Nordfrankreich etwa um 1160 ihren Höhepunkt erreicht hat. Die starke Kämpferplatte geht ebenfalls auf Spätantikes zurück. Tafel73. Romanische Kapitelle. Nach Dehio sind die Kapitelle der St. Afra-Kapelle des Speyrer Doms das Werk lombardischer Schule. Dann ge hört dieser auch Fig. 3 an. Beide zeigen antikisie rende Formen in höchst bizarrer Umbildung, wäh rend Fig. 1 wohl ohne weiteres auf ravennatisch byzantinische Vorbilder zurückweist. Tafel 74. Kapitell aus der Synagoge zu Worms. 13. Jahrhundert. Bildung wie Tafel 71. Eine Zwischenstufe zwischen rein plastischer und nur zeichnender Formgebung. In der Grundidee an das antike Kapitell sich anschließend, aber seltsam mit anderen Motiven verwoben. Die Kämpferplatte von fast 2 /3 Kapitellhöhe wirkt als nötiger Aufsatz, geradeso wie die Basis ohne Schemel nicht auskommen kann. Tafel 75. Fig. 1—6. Sogenannte Übergang stilformen, die aus Frankreich kommen und das Eindringen der Gotik vorbereiten. Die Vermittlung hat der Zisterzienserorden übernommen; er hat das Knospenkapitell eingeführt und noch nach gebildet, »zu einer Zeit, als es bereits vom fran zösischen Geschmack aufgegeben war. — Ein Vor spiel zu ähnlichen Vorkommnissen in der bildenden Kunst bis in die neuste Zeit hinein. — Im 12. Jahr hundert setzte in Frankreich ein Naturalismus ein, der aus erstarktem künstlerischem Empfinden für die Natur den überlieferten Formgebilden neues Leben einhauchte. Die Blattformen des Akanthus wurden selbständiger, gestreckter, der Akanthus- charakter ging dabei meist verloren. Die Blatt bildung glich mehr einheimischen Pflanzen, obwohl man nicht eigentlich realistisch nachbildete. Das Lebendige kam besonders stark in der Gestal tung der Blattenden zum Ausdruck, die noch als Knollen von aufwachsenden Blättern, die auf sprießen und sich dehnen, dargestellt wurden. So wurden die schlanken Gebilde scheinbar selbst Träger, nicht mehr nur Ausdruck für die Funktion. Bezeichnend für die herbe Zisterzienserkunst ist auch die Bildung der Basis, deren unterer Wulst herausgepreßt über die Plinthe vorsteht. Auch die Schaftringe (Wirtel) zeigen die gleichen, fast metallischen Formen. Man ersetzt durch starke Aus ladung und kräftiges Profil eine reichere Schmuckform. Das gilt auch für die Kämpferplatte. Für deutsches Empfinden muß zunächst etwas Abstoßendes an dieser Formgebung gewesen sein, denn sie schafft sich nur langsam Bahn, es liegt etwas Kaltes darin, die Freude fehlt. Aber klare Linienführung und Großzügigkeit kann man ihr nicht absprechen. Fig. 7 zeigt eines jener besonders im Süden Frankreichs beliebten figürlichen Kapitelle, dessen Grundform ebenfalls am antiken Kelch festhält, aber darauf einen reichen Schmuck figürlicher Komposition meist streng symmetrisch anordnet. Tafel 76/77. Kapitelle aus Maulbronn. Beide zeigen deutlich die undeutsche Art der plasti schen Bildung (man vergleiche Tafel 74), die flächige Behandlung der Blattformen, ihre klare Zeichnung ohne phantastische Einzelheiten. Das Kapitell von der Vorhalle schließt sich äußerlich enger an den überlieferten antiken Typ an, seine Blätter sind aber breitlappig und saftig geworden, und scheinen nur noch angeheftet. Das andere vom Kreuzgang versucht romanische Formen im neuen naturalistischen weiterzubilden. ■ Tafel 78\79. Kapitelle im spätromanisch französischen Stil. Man sieht hier noch einmal die ganze Blattstruktur unverstandener antiker For men. Die Spitzen stehen hart gegeneinander in un sicherer Reliefbildung. Im Gegensatz zu deutschen Beispielen ist die Kelchform gestreckter, dafür die Eckvolute schwächer. Auch hier erinnert aber die Leistenverzierung an den volkstümlichen Kerb schnitt. Die Zeichnung ist wohl im ganzen im Vergleich zu deutschen Beispielen (vgl. Tafel 71 oder 74) flüssiger. Das gilt auch für das auf Tafel 79 dargestellte Kapitell, dessen Eckranken eingerollt sind. Klare Zeichnung, strenge Symmetrie, lebendig-kräftige Modellierung zeigen auch die Rankenfriese. Alles ist wohlgeordnet, korrekt und technisch vollendet. Tafel 80. Einzelheiten aus Gelnhausen. Überdas Maß von gewöhnlichem technischem Kön nen geht der Rankenfries Fig. 4 und 5. Sein Grund ist nicht nur tief herausgeholt, sondern sogar völlig ausgehöhlt, so daß das Rankenwerk wie ein Gitter davor freiliegt. Solche Technik verlangt eine streng gleichmäßige Verteilung der zusammenhängenden Ornamentlinien, ein engmaschiges Netz von Öff nungen. Trotz der französischen Formgebung im einzelnen sind deutsche Züge in den Diamant 102 101