140 Dritter Abschnitt. Im 19. Jahrhundert as neunzehnte Jahrhundert brachte Stuttgart raschen Hufschwung. Württemberg war Königreich geworden und hatte ansehnliche Gebiete gewonnen. Der Hof wurde glänzender, die Zahl der Beamten vermehrte sich. Deue Staatsgebäude wurden not wendig und trugen jur Verschönerung des Stadtbildes bei. Handel und Gewerbe blühten auf, neue Industrien entwickelten sich und erforderten die (leberschreitung der alten Stadt- grenjen. Die Einwohnerzahl stieg in der ersten Hälfte auf 50000, erreichte das erste Hundert tausend anfangs der siebziger Jahre, um sich bis heute abermals zu verdoppeln. Rasch ent standen daher neue Straßen und Stadtteile. Die Hufgaben der Stadtverwaltung wuchsen; es vermehrte sich nicht nur der Hnfall der von ihr schon bisher besorgten Geschäfte, die moderne Zeit stellte auch neue Hnforderungen. Die alte Organisation, die auf kleine Verhältnisse zugeschnitten war und die Gemeinde behörden ganz unter die Hbhängigkeit des Staates stellte, entsprach nicht mehr den Hnfchauungen der neuen Zeit, welche die Selbstverwaltung der Gemeinden forderte. Doch vergingen zwei Jahr zehnte, ehe dieses Ziel erreicht wurde. Bis 1820, in welchem Jahre vom König ein Ober bürgermeister, Dr. jur. feuerlein (s. u.) ernannt wurde, blieb das Hmt des Stadtvorstehers noch in den Händen des staatlichen Bezirksbeamten, der von 1811 an den Eitel „Stadt direktor" führte. Ja, der Ginfluß des Staats auf die städtischen Organe wurde unter König friedrieb noch verschärft durch ein Dekret des Jahres 1813 über die Besetzung des Magistrats. Der Stadtdirektor, als Vorsitzender Hes Magistrats, hatte dem Ministerium die zu berufenden Mitglieder vorzuschlagen, die Entscheidung des Ministeriums bedurfte der Bestätigung des Königs. Das Kollegium fetzte sich dann zusammen aus den zwei Bürgermeistern, zwei Stellvertretern, dem Stadtschreiber und zehn Ratsmitgliedern. Ueber, der Stadtverwaltung übte der Magistrat immer noch die bürgerliche Rechtspflege aus. Die Bürgerschaft selbst hatte bei dieser Verfassung noch nicht den geringsten Einfluß auf die Stadtverwaltung. dm dem berechtigten Wunsche der Bürger nach einer gewissen Kontrolle über die Ver fügung der Gelder, die sie in steigendem Maße auszubringen hatten, zu entsprechen, wurde unter dem zweiten König, Wilhelm I, 1817 der Bürgerausschuß eingeführt. Er sollte gegenüber dem besoldeten, vom Staat ernannten Gemeinderat die Bürgerschaft vertreten, die Stadtverwaltung beauf sichtigen und seine Wünsche und Beschwerden dem Gemeinderat mitteilen; seine Mitwirkung war notwendig in finanzangelegenbeiten, welche das Vermögen der Stadt änderten oder die Kaffe dauernd belasteten. Er bestand aus jwanjig Mitgliedern, die von den Bürgern direkt gewählt wurden;